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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen
Autoren: Evelyn Sanders
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Betreten der Museen noch schnell gekauft hatte, weil diese Zeitung ziemlich großformatig ist.
    Endlich wurden die Gänge ein bißchen breiter und ein bißchen leerer. Wir befanden uns in den Andenkensälen. Rechts und links Glasvitrinen mit Kostbarkeiten. Wieder einmal mußte ich feststellen, daß ich im falschen Jahrhundert lebte. Wenn mir jemand ein Souvenir mitbringt, dann kriege ich ein Almglöcklein mit Edelweiß drauf oder bestenfalls einen handbemalten Teller »Gruß aus Mallorca«, aber eine mit Edelsteinen besetzte Schmucktruhe hat mir noch niemand geschenkt. Allerdings bin ich auch kein Papst.
    Der Besucherstrom nahm wieder zu und ballte sich vor einer Wendeltreppe zu einer dichten Menschentraube. Der Abstieg zur Sixtinischen Kapelle begann.
    Michelangelo muß geahnt haben, was dermaleinst auf die Kapelle zukommen würde, und hat in weiser Voraussicht seine Kunstwerke an die Decke gemalt. Der Blick nach oben ist nämlich frei – aber auch nur dorthin. Wer vielleicht noch etwas anderes sehen wollte als das Deckengemälde, hätte sich von der Mitte aus zielstrebig an eine Wand vorkämpfen müssen, um sich daran entlang bis zur nächsten weiterzutasten. Der Einsatz von Ellenbogen wäre unerläßlich gewesen. Ich bin aber Pazifist, und als solcher kaufte ich mir später einen Bildband über die Sixtinische Kapelle, um mir in Ruhe ansehen zu können, was ich mir nicht ansehen konnte.
    Normalerweise herrscht in einer Kirche andachtsvolle Stille oder schlimmstenfalls gedämpftes Stimmengemurmel. Hier ging es aber zu wie auf einem Wochenmarkt. Kinder quäkten, Mutti rief nach Vati, John suchte Jack. Otto und Trudchen übten sich in Kunstbetrachtung.
    Otto:
    »Wie lange hat der wohl daran gemalt?«
    Trudchen:
    »Lange. Sieh mal, Otto, der zweite Jünger von links hat dieselben Augen wie die Mona Lisa.«
    Otto:
    »Wie kommst du darauf?«
    Trudchen:
    »Weiß ich nicht, finde ich eben. Vielleicht hat der Maler für beide Bilder dasselbe Modell benutzt.«
    Otto:
    »Die Mona Lisa hat Leonardo da Vinci gemalt.«
    Trudchen:
    »Weiß ich doch. Deshalb meine ich ja auch, daß das dieselben Augen sind.«
    Otto:
    »Die Decke hier ist aber von Michelangelo.«
    Trudchen:
    »Ach?« Und nach einer kurzen Pause: »Macht ja nichts, Italiener sind sie doch beide, nicht wahr? Heute teilen sich die Maler ja auch ein Modell, weil es für einen allein sonst zu teuer wird.«
    Wenn der Lärm die zulässige Phonstärke überstieg, ertönte ein Gong, und eine weibliche Lautsprecherstimme bat in fünf Sprachen um Ruhe. Danach wurde es ein paar Minuten lang etwas stiller, aber sobald die nächste Touristenwelle in die Kapelle schwappte, fing das Spiel von vorne an. Nach dem fünften Gongschlag hatte ich genug und ließ mich zum Ausgang schieben.
    Hannelore wartete schon. Neben ihr auf einem Mäuerchen hockte Frau Moll und rieb ihre Füße mit einem in Kölnisch Wasser getränkten Taschentuch ab. »Die haben schon bei Raffael schlappgemacht«, stöhnte sie, »ich hätte doch besser nicht mitgehen sollen.«
    »Dann verzichten Sie einfach heute nachmittag auf den Ausflug und legen sich statt dessen auf Ihrem Balkon in die Sonne«, empfahl Hannelore.
    »Ich will aber den Grafen sehen.«
    »Werden Sie auch! Auf das Weingut fahren wir erst morgen.«
    Schon am ersten Abend, als Frau Marquardt einen kurzen Abriß des Gesamtprogramms gegeben hatte, war Frau Moll ganz aus dem Häuschen gewesen. Einen richtigen italienischen Grafen würde sie kennenlernen, sein Weingut besichtigen und von ihm zum Abendessen eingeladen werden! Nein, also damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Daß sie diesen Ausflug einschließlich Essen extra bezahlen mußte, störte sie nicht. »Stell dir vor, Elisabeth, was die im Seniorenclub für Augen machen werden, wenn wir erzählen, daß wir mit einem richtigen Grafen gespeist haben.«
    Frau Klinger nickte. »Ob man da wohl auch Autogrammkarten bekommen kann?«
    Ich weiß nicht, inwieweit Frau Moll Hannelores Rat befolgt und die Busfahrt zum Prominentenviertel auf einem der sieben Hügel Roms hat sausen lassen, ich jedenfalls habe es getan und statt dessen ein Sonnenbad genommen. Man sollte ruhig mal auf ein Vergnügen verzichten können.
    VIERTER TAG: »Kaiserwetter!« sagte der Bürgermeister, in den wolkenlos blauen Himmel blinzelnd.
    »Papstwetter!« korrigierte Trudchen, denn wir befanden uns auf dem Weg zum Castel Gandolfo. Die Caracallathermen und die Katakomben hatten wir schon hinter uns gelassen. Tief betrübt
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