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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen
Autoren: Evelyn Sanders
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Lächelns« also keineswegs das, was mich auch nur im entferntesten hätte reizen können.
    »Statt Wien also diesmal Via Veneto und Papstmesse? Betrifft mich nicht, ich bin evangelisch.«
    Sie lachte. »Sogar Mohammedaner besichtigen den Petersdom.«
    »Auch wieder wahr. Trotzdem glaube ich nicht, daß ich mich für so einen Herdentrip begeistern kann. Ewig im Kielwasser des Leithammels von Kirche zu Kirche schlappen, Städteführer in der Hand und Fotoapparat vorm Bauch ist nicht mein Fall. Dazu kriegt man pausenlos Namen und Daten um die Ohren geschlagen, die sich kein Mensch merken kann, und am Schluß der Besichtigungstour fragt jemand: Fräulein, ich hab nicht alles verstanden, können Sie mir noch mal sagen, wer die Figur auf dem Marc-Aurel-Denkmal war? – Nein, vielen Dank, ohne mich!«
    »Man merkt, daß Sie noch nie eine Gruppenreise mitgemacht haben. Kein Mensch zwingt Sie, an jeder Führung teilzunehmen, aber das Programm ist wirklich interessant und nicht überladen. Es bleibt Ihnen genügend freie Zeit für Eigeninitiative. Soll ich Ihnen nicht doch mal die Unterlagen schicken?«
    »Na schön, ansehen kostet ja nichts. Und überhaupt muß ich erst einmal abtasten, wie sich die Familie dazu stellt.«
    Sie reagierte unterschiedlich. Ehemann Rolf, noch immer nicht an meine gelegentlichen Alleingänge gewöhnt, sagte gar nichts, holte den Rasenmäher und köpfte die ohnehin erst streichholzlangen Grashalme um ein weiteres Drittel. Auch eine Methode, seinen Unmut loszuwerden.
    Sohn Sven, siebenundzwanzig Jahre alt, Junggeselle mit gelegentlichem Hang zur Zweisamkeit und deshalb hundert Kilometer vom Heimathafen entfernt wohnend, wunderte sich über meinen Anruf und empfahl mir lediglich Brustbeutel und Reiseschecks, »weil doch in Italien so viel geklaut wird«.
    Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Sascha, ebenfalls schon lange zum Nestflüchter geworden, wunderte sich noch viel mehr. »Es ist mir doch völlig Wurscht, wann du wie lange wohin fährst«, bellte er durchs Telefon, erbat sich die obligatorische Ansichtskarte aber diesmal im Hochformat, weil sie sonst auf seiner Pinnwand keinen Platz mehr hätte.
    Stefanie dagegen war begeistert von meinen Reiseplänen und dachte sofort praktisch. »Kannst du nicht mal sehen, ob du da unten einen schicken mintgrünen Pulli für mich auftreibst? Bennetton oder so was in der Richtung. Die kommen doch alle aus Italien und sind dort bestimmt viel billiger als bei uns.«
    Blieben also noch die Zwillinge. Sie würden in erster Linie die Leidtragenden sein, fühlten sich aber gar nicht als solche. »Natürlich fährst du«, erklärten sie unisono, »die paar Tage kommen wir schon alleine klar. Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr!«
    Das war nur bedingt richtig. Laut Geburtsurkunde sind sie siebzehn, haben die Mentalität von Fünfzehnjährigen und sind noch immer nicht in der Lage, eine Bluse zu bügeln, ohne daß sie hinterher aussieht, als habe jemand zwei Nächte darin geschlafen.
    »Na ja, wenn ihr meint…« Noch immer zögerte ich, meine auf drei Personen geschrumpfte Familie ihrem Schicksal zu überlassen, ihr fünf Tage lang Pizza und Bratkartoffeln zuzumuten – zu mehr würde es ja doch nicht reichen –, und mich selber an Scampi, Spaghetti alla Carbonara und ähnlichen italienischen Spezialitäten gütlich zu tun.
    »Du mußt endlich mal deinen Gluckenkomplex ablegen«, zerstreute Nicole meine unausgesprochenen Bedenken, »und überhaupt wärst du schön blöd, wenn du diese Reise nicht mitmachen würdest. Schließlich kannst du sie dir doch jetzt leisten.«
    Wie oft hatte ich diesen Satz in den vergangenen Jahren gehört! Genaugenommen seit dem Tag, an dem ich den Vertrag für mein erstes Buch unterschrieben und nicht geahnt hatte, was er für Folgen haben würde. Warum hatte mir das bloß niemand vorher gesagt?

1
    Angefangen hatte alles irgendwann in den Sommerferien. Zum erstenmal war es uns gelungen, den auf fünf Köpfe angewachsenen Nachwuchs über die Verwandtschaft zu verteilen, und wir beiden Daheimgebliebenen freuten uns auf eine ruhige Zeit ohne Überfälle von Jugendlichen, die den Kühlschrank leer fraßen und das Haus als Schlachtfeld hinterließen. Nach einer Woche ging Rolf jedoch die ungewohnte Stille dermaßen auf die Nerven, daß er kurzerhand einen Freund anrief und mit ihm einen Angelurlaub an einem österreichischen See verabredete. Der Form halber wurde ich zum Mitkommen aufgefordert, aber nach meiner Ansicht gibt es nur eine
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