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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen
Autoren: Evelyn Sanders
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alle wieder munter. Otto holte einen neuen Film aus dem Handgepäck, Trudchen puderte die Nase, Mutter Quadriga nahm das Defilee ihrer Söhne ab und überprüfte deren untadeliges Aussehen. »Deine Krawatte sitzt schief, Bernd!«
    Frau Moll kämpfte mit sich, ließ dann aber doch den welkgewordenen Blumenstrauß liegen. Wahrscheinlich nahm sie an, der Herr Graf habe selber welche.
    Staubig war der Weg zum Schloß hinauf und ziemlich lang, aber am Ziel sollte uns ja ein Willkommenstrunk erwarten. Er stand schon da, als wir endlich den Garten erreichten und uns ein schattiges Plätzchen suchten. Stühle gab es nicht, aber ein Mäuerchen, auf das man sich setzen und den herrlichen Blick ins Tal genießen konnte. Wie auf Bestellung ging blutrot die Sonne unter.
    Dann kam il Conte. Sehr leger mit Seidenschal im offenen Hemdkragen und roten Socken, aber sonst wirkte er distinguiert. Für einen Italiener recht groß, graue Schläfen, Adlernase – doch sein professionelles Lächeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß er diese Ansammlung neugierig starrender Menschen als äußerst lästig empfand.
    Von der Terrasse aus hielt er eine Rede an sein Volk. Hannelore übersetzte: Der Graf freue sich, uns alle begrüßen zu können, und hoffe, wir würden einen recht vergnüglichen Abend verleben.
    Dann bat er uns ins Haus. Wir durften uns in dem Gemach gleich links vom Eingang auf leicht verblichenem Brokat niederlassen und dem musikalischen Vortrag lauschen. Auf dem Pianoforte brachten der Herr Graf Klassisches zu Gehör mit viel Routine und viel Pedal. Der artige Beifall nach Beendigung des Stückes animierte ihn zu einer Zugabe, die Frau Moll nur unter Aufbietung aller Kräfte durchhielt. Sie mußte dringend einen gewissen Ort aufsuchen, und ob ich wohl wüßte, wo der sei?
    II Conte klappte den Klavierdeckel zu und gab damit das Zeichen zum Aufbruch. Der Oberhofmeister, oder wie auch immer das schwarzgekleidete Männlein zu bezeichnen war, erwartete uns an der Tür, auf daß er uns zu den oberen Räumen geleite. Dort war allerlei Antikes zu besichtigen sowie das Gästebuch, in das wir uns eintragen sollten.
    Ich verzichtete darauf, konnte mir aber nicht verkneifen, nachzulesen, was meine Mitreisenden hineingeschrieben hatten.
    Gertrud Wilhelmine Heisenbüttel, geborene Weissmann, hatte Trudchen in altmodischer Sütterlinschrift hinterlassen, und darunter stand kernig: Otto Heisenbüttel, Wuppertal.
    Frau Moll dankte dem »hochverehrten Herrn Grafen für die erwiesene Gastfreundschaft«, und Frau Klinger hatte sogar gedichtet:
    In kristallenem Glase funkelt der Wein, schimmert im Abendsonnenschein.
    Dank dem Spender dieser Pracht und dem Herrgott, der das alles gemacht.
    Das mit dem kristallenen Glas stimmte aber nicht. Der Willkommenstrunk war uns in simplen Wassergläsern kredenzt worden. So ähnliche stehen bei mir auch im Küchenschrank. Früher war mal Senf drin gewesen.
    Unter Führung des Kastellans trotteten wir wieder bergab. Zur Enttäuschung der Damen Moll und Klinger fand das gemeinsame Abendessen nicht im Schloß statt und erst recht nicht im Beisein des Grafen, sondern in einer umgebauten ehemaligen Scheune gleich neben dem Busparkplatz. »In rustikaler Umgebung« hatte es geheißen, und das war wirklich nicht untertrieben. Weißgekalkte Wände, lange Tische mit blauweiß karierten Decken, Holzstühle. Junge Mädchen schleppten Weinkaraffen heran, junge Männer Riesenschüsseln mit Spaghetti. Das Gelage konnte beginnen.
    Dem Herrn Bürgermeister sah man an, daß er im Umgang mit einer Kalbshaxe wesentlich trainierter war als im Umgang mit diesen endlosen Nudeln, aber er kämpfte sich tapfer durch. Otto war weniger auf Etikette bedacht. Rücksichtslos säbelte er mit dem Messer drauflos und schaffte es trotzdem, sein Hawaiihemd mit Tomatensoße zu bekleckern. Frau Moll machte sich angeblich nichts aus Nudeln, worauf Frau Klinger ebenfalls verzichtete. Beide hofften auf den nächsten Gang.
    Der bestand aus kleinen Bratwürstchen und einer Art Hackfleischbällchen, alles ziemlich scharf gewürzt. Zum Glück war der Wein nicht kontingentiert, jeder konnte soviel trinken, wie er wollte. Die meisten wollten. Und wurden immer lustiger. Frau Marquardt sah auf die Uhr. »Wenn der Graf nicht bald kommt, könnte es kritisch werden.«
    »Wieso?« fragte ich leise. »Gibt uns il Conte denn noch mal die Ehre?«
    »Natürlich. Das ist dann aber auch das Zeichen zum Aufbruch.«
    »Aha, also Rausschmiß auf adlig?«
    »So
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