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0194 - Wenn Hexenhände töten

0194 - Wenn Hexenhände töten

Titel: 0194 - Wenn Hexenhände töten
Autoren: Jason Dark
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Der alte grauhaarige Küster blickte mich an. In seinen Augen nistete die Furcht. Die dünne Haut auf seinen Wangen zuckte. Er hob die mageren Schultern und legte einen Finger auf die Lippen.
    Es war sowieso still in dem alten Glockenturm. Selbst der Wind war eingeschlafen, der ansonsten so gern durch das historische Gemäuer pfiff und mit den Wellen der Themse spielte. Er schien es den meisten Menschen nachzumachen, die um diese Zeit längst im Bett lagen.
    Ich schaute auf meine Uhr.
    Noch zwei Minuten bis Mitternacht!
    »Bald«, wisperte der Küster und hauchte mir seinen Rotweinatem ins Gesicht, »bald ist es soweit.«
    »Hoffentlich.«
    »Aber jetzt ruhig.«
    Der Knabe amüsierte mich. Schließlich war er es, der angefangen hatte zu reden.
    Ich schaute mich um. Der Glockenturm war eng, sogar mehr als eng.
    Elektrisches Licht gab es hier überhaupt nicht. Damit wir etwas sehen konnten, hatte der Küster eine alte Laterne die Stiege mit hoch geschleppt.
    Der Turm selbst war stabil. Er hatte die Jahrhunderte überdauert.
    Seinen grauen Stein bekamen höchstens die aggressiven Autoabgase kaputt. Das obere Drittel des Turms blieb dem Geläut vorbehalten.
    Und gerade das Geläut hatte es in sich. Es sollte um Mitternacht anfangen zu läuten. Genauer gesagt, die Glocken läuteten, obwohl niemand in der Nähe war, der an einem Seil zog oder sie irgendwie anders in Bewegung setzte.
    Sie meldeten sich einfach so.
    Und das schon seit Tagen.
    Geisterglocken, hatte man sie genannt. Ich war von Sir James, meinem Chef, losgeschickt worden, um das Rätsel zu lösen. Eigentlich war ich sauer über so einen Fall. Glocken, die plötzlich anfingen zu läuten, fielen nicht in mein Aufgabengebiet, aber da gab es ein gewaltiges Hindernis.
    Und das waren die Windsors!
    Sie kennen den Namen sicherlich. Das wohl berühmteste englische Adelsgeschlecht, aus dem Könige und Herrscher hervorgegangen sind.
    Wenn jemand in unserem Land Einfluß hatte, dann die Windsors. Und ihren Einfluß hatten sie spielen lassen, denn ihnen war auch zu Ohren gekommen, daß die Glocken läuteten.
    Dies immer um Mitternacht!
    Klar, daß sich der Hochadel, falls er sich auf seinem Schloß aufhielt und nicht irgendwo in der Welt herumreiste, gestört fühlte. Man bemühte keinen Gendarmen oder Konstabler, sondern ging direkt in die Vollen. Scotland Yard. Und da saß Sir James Powell, seines zeichens Superintendent, königinnentreu und was weiß ich nicht alles. Natürlich war es für den Alten eine Ehrensache, sich des Falles anzunehmen. Einen Tag später hatte ich den Job dann am Hals. Gern hätte ich Suko ebenfalls die Nacht »gegönnt« und ihn mitgenommen, Sir James hatte jedoch darauf bestanden, daß ich den Fall allein übernahm.
    Und so befand ich mich innerhalb des Glockenturms, stand mit dem Küster unter den beiden Glocken, die an Seilen befestigt waren und an einem Querbalken hingen.
    Wir warteten auf das Läuten.
    Zehn Sekunden noch!
    Selbst im Licht der Laterne konnte ich erkennen, daß der Küster leicht grau im Gesicht wurde. Seine Haut sah auf einmal aus wie Asche. Er zitterte jetzt noch mehr, seine Zähne klapperten aufeinander, und die Augenlider bewegten sich hektisch.
    Noch fünf Sekunden.
    »Gleich, gleich«, wisperte der alte Küster. »Dann ist es soweit.« Er schüttelte sich, als hätte jemand kaltes Wasser über ihn gegossen. »Dann läuten sie.«
    »Hoffentlich«, knurrte ich. Mitternacht!
    Jetzt mußte es geschehen. Oder? Auch ich war von dem Fieber angesteckt worden und warf einen Blick hoch. Schon ein paar Sekunden über die Zeit. War wohl doch nichts.
    Ich hatte mich getäuscht. Der Gedanke schwebte noch in meinem Kopf, als sich die erste Glocke bewegte. Sie schwang nach rechts, und dann nach links. Der Klöppel stieß gegen die Wandung. Im nächsten Moment dröhnte mir der dumpfe Klang dieser Mitternachtsglocke buchstäblich in den Ohren.
    Dong - dong, ging es. Die Glocken hörten überhaupt nicht auf. Mir schien es, als würden sie von unsichtbaren Händen geführt und geleitet.
    Das war wirklich eine Sache für sich.
    Der Küster stieß mich an. Noch grauer im Gesicht. Mit seinem mageren Zeigefinger deutete er in die Höhe, wo die Glocken schwangen.
    Ich nickte. Gesehen hatte ich es ja, das brauchte er mir gar nicht erst noch zu zeigen.
    Mir kam der Gedanke, daß sich dort oben jemand versteckt haben könnte. Das Gebälk war gar nicht mal klein. Ein Wirrwarr aus Latten, Balken und Streben.
    Da mußte man hochkönnen.
    Ich deutete
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