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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen
Autoren: Evelyn Sanders
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für zweihundertvierzig viel besser gefallen hatte, aber dazu hätte ich mein neueröffnetes Konto wieder auflösen und noch was vom Haushaltsgeld abzweigen müssen. Da gab’s sowieso nichts mehr zu holen! Die neuen Gläser und Steffis Turnschuhe!
    Wenigstens war ich für die zu erwartende Einladung nach Bayreuth gerüstet, hatte ich doch in Hildegard Knefs Memoiren gelesen, daß zwischen Verlegern und ihren Autoren freundschaftliche Bande obligatorisch seien. Aber dazu mußte man wohl zur bundesdeutschen Prominenz gehören, zu der ich mich nun beim besten Willen nicht zählen konnte. Deshalb verknüpften meine Verlegerin und mich lediglich ein paar hundert Kilometer Telefonkabel, die allerdings mitunter heißliefen. Einen Lebenslauf wollte sie von mir haben, über dem ich zwei Tage grübelte, weil er absolut nichts hergab. Dann brauchte sie ein reproduktionsfähiges Foto von mir, und das gab es erst recht nicht. In den vergangenen Jahren hatte ich mich lieber hinter der Kamera aufgehalten als davor, denn die Zeiten, in denen es geheißen hatte: »Die Kleine sieht aber niedlich aus!«, waren längst vorbei. Zum Fotografen wollte ich auch nicht, die letzte Sitzung vor zwei Jahren (Omi hatte sich zum Geburtstag ein Familienporträt gewünscht) hatte beinahe mit einem allseitigen Nervenzusammenbruch geendet. Seitdem ließ ich meine Filme in der Drogerie entwickeln.
    »Ist doch gar kein Problem«, sagte Rolf, während er Lampen heranschleppte und Sven anwies, meterlange Alufolie auf ein großes Brett zu kleben. »Das machen wir selber! Ich habe schon ganz andere Objekte werbewirksam fotografiert.«
    Nun besteht wohl doch ein gewisser Unterschied zwischen einer festmontierten Hobelbank und einer lebenden Person, die erst einmal Kostümproben veranstalten mußte, um den passenden Kontrast zum Hintergrund zu finden. Nach Ansicht des Fotografen eignete sich dazu ganz besonders die Ligusterhecke, zumal auch gerade die Sonne im richtigen Winkel stand. Nur hatte er nicht bedacht, daß ich mich dazu in die äußerste Ecke quetschen mußte. Die Zweige piekten durch die dünne Bluse, und statt anmutig zu lächeln, brüllte ich »Aua!«
    Die Aufnahme wurde wiederholt, aber jetzt hatte Sven vergessen, das Brett hochzuhalten. Beim nächsten Versuch hatte sich eine Fliege auf mein langsam zur Maske erstarrtes Gesicht gesetzt, und dann ging gar nichts mehr, weil die Sonne hinter der großen Birke verschwunden war.
    »Standortwechsel!« bestimmte der Fotograf, seine Utensilien zusammenpackend. »Vor dem Haus scheint sie noch.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage, ich gebe doch für die Nachbarn keine Vorstellung als Pausenclown!«
    Aber Rolf war nicht zu bremsen. Er schleppte einen Gartenstuhl nach vorne, stellte ihn in den Halbschatten, und dann mußte ich mich graziös auf das Maschendrahtgeflecht setzen. Die Kissen hatte er vorher entfernt, sie paßten nicht zum Hintergrund. Jetzt piekte es zur Abwechslung von unten, was die ungezwungene Haltung und den freundlich-verbindlichen Gesichtsausdruck doch ziemlich erschwerte.
    »Ein paar Aufnahmen habe ich noch drauf. Lehn dich mal ganz lässig gegen die Blautanne!«
    Das sollte er mir erst einmal vormachen! Das Biest hatte Nadeln, gegen die jede Injektionsspritze harmlos war, und wenn ich mich wirklich anlehnen würde, müßte ich eine Woche lang auf dem Bauch schlafen.
    »Dann stell dich einfach zwischen die Zweige!«
    Nach mehreren vergeblichen Versuchen mußte Rolf einsehen, daß sich diese romantische Pose nicht realisieren ließ. »Würde die Birke nicht denselben Zweck erfüllen? Da könnte ich wenigstens noch an einem Zweig knabbern.«
    Er warf mir nur einen bitterbösen Blick zu. »Mir kann es doch Wurscht sein, wie du auf den Fotos aussiehst. Ich will ja nicht Playmate des Monats werden.«
    Das wollte ich allerdings auch nicht, doch als ich später die Abzüge meines Hausfotografen sah, wurde mir bewußt, daß meine fotogene Zeit endgültig vorbei war. Auf den Bildern sah ich manchmal aus wie meine eigene Großmutter.
    »Die Fotos werden mir wirklich nicht gerecht«, meckerte ich, aber in Wahrheit erwartete ich keine Gerechtigkeit, sondern Barmherzigkeit.
    Die Zeit drängte, also schickte ich die am wenigsten scheußliche Aufnahme an den Verlag und hoffte, man würde angesichts dieser zerfurchten Stirn, die auch noch von einer Schmachtlocke halb verdeckt wurde, auf eine Reproduktion verzichten. Falls doch nicht, so würde mich wenigstens kein Mensch auf diesem Bild
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