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Das hätt' ich vorher wissen müssen

Das hätt' ich vorher wissen müssen

Titel: Das hätt' ich vorher wissen müssen
Autoren: Evelyn Sanders
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sich die Gemüter beruhigt, und jetzt möchte ich nicht schon wieder Mittelpunkt des Dorfklatsches werden. – Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee? Tee? Etwas Gehaltvolleres? Oder lieber einen Grog zum Aufwärmen?«
    »Am liebsten einen Grog, aber ich muß noch fahren. Da ist Kaffee ungefährlicher.«
    Vernünftiger Mensch, Rum war sowieso nicht da. Plötzlich kam mir wieder mein Gammellook zu Bewußtsein. »Bitte entschuldigen Sie mich für ein paar Minuten, aber ich muß mir wenigstens die Spinnweben von den Händen waschen.
    Ich habe nämlich gerade Pfirsiche gezählt.« Erst beim Hinausgehen wurde mir klar, welch horrenden Blödsinn ich eben von mir gegeben hatte, doch ich konnte schlecht wieder umkehren und meinem Gast verklickern, daß das eine Glas ganz hinten im Regal bereits total verstaubt gewesen war. Kein Wunder, Omi hatte es vor mindestens fünf Jahren angeschleppt. Und in Afrika wird gehungert!
    In der Küche braute Steffi Erdbeerblütentee. Der ganze Raum roch süßlich. »Mach gefälligst das Fenster auf, wenn du diesen Sud kochst, hier stinkt es wie in einer Parfümerie.« Ich füllte die Kaffeemaschine. »Deck mal bitte drinnen den Tisch, aber wehe, du fährst wieder diese Steingutkübel auf. Nimm das Porzellangeschirr! Und vergiß die Servietten nicht! Aber die japanischen und nicht die billigen von Aldi. Ein paar Weihnachtskekse kannst du auch aus dem Keller holen!«
    »Ich denke, die hast du versteckt.«
    »Hab ich auch.«
    »Wie soll ich sie dann holen?«
    Kluge Frage. »Sie sind in den Blechschachteln in der großen Truhe unter den Kissen von den Terrassenmöbeln.«
    »Kein Wunder, daß wir sie neulich nicht gefunden haben.«
    Jedes Jahr wiederholt sich das gleiche Spiel. Ich backe Plätzchen, von denen mir die Hälfte noch ofenwarm weggefuttert wird. Mit dem Rest ziehe ich wie ein Eichhörnchen von Versteck zu Versteck, immer damit rechnend, daß doch mal ein Suchtrupp fündig wird und ich am Heiligen Abend nur noch Krümel auf den Tisch stellen kann. Deshalb habe ich immer noch eine ganz geheime Geheimreserve, von der ich manchmal selber, nicht weiß, wo ich sie vergraben habe. Einmal fanden wir sie mitten im Hochsommer, als wir die Federballschläger suchten.
    Fünf Minuten später erschien ich frisch gewaschen und gestriegelt wieder auf der Bildfläche, bereit, mich den prüfenden Blicken meines Gastes zu stellen. Sogar Schuhe mit hohen Absätzen hatte ich angezogen, obwohl ich die zu Hause sonst nicht mehr trage, seitdem ich auf der Treppe damit hängengeblieben war und mir einen tellergroßen Bluterguß eingehandelt hatte.
    Steffi musterte mich kritisch. »Jetzt siehst du wieder menschlich aus, aber ich bezweifle, ob das noch was nützt. Bekanntlich ist der erste Eindruck immer der entscheidende.«
    Herr Brühl war anderer Ansicht. Er strahlte mich an. »Nun sehen Sie genauso aus wie auf dem Foto.«
    Grundgütiger Himmel! Wenn das ein Kompliment sein sollte, dann hatte er aber haargenau danebengetroffen. »Finden Sie wirklich?« fragte ich gedehnt.
    »Ja«, sagte er sofort – und sank in meiner Achtung.
    Eine Zeitlang plauderten wir über dies und das, dann kam er zur Sache. »Wie gefällt Ihnen denn das Cover von Ihrem Buch?«
    »Gut.« Was um alles in der Welt war ein Cover?
    »Wir im Verlag finden es großartig. Es hat ja auch einer der besten Illustratoren gemacht.«
    Bevor ich nun endgültig auf dem Glatteis ausrutschte, auf dem ich herumschlidderte, ging ich zur Offensive über. »Könnte ich es wohl noch mal sehen?«
    Bereitwillig öffnete er seine Mappe und reichte mir einen Prospekt herüber. Und dann sah ich sie zum erstenmal, die fünf verstrubbelten Karikaturen, die meine Kinder sein sollten. In einer Blümchenwiese standen sie, aufgereiht wie Schießbudenfiguren, und grienten etwas einfältig vor sich hin. Als Zeichnung war das Titelbild exzellent, nur fiel es mir schwer, diese leicht beschränkt aussehenden Gestalten mit meinem geistig nun wirklich nicht zurückgebliebenen Nachwuchs zu assoziieren. »Die Kinder werden begeistert sein.«
    »Sie etwa nicht?« fragte Herr Brühl erstaunt.
    »Doch, natürlich.«
    Meine lauwarme Zustimmung entging ihm nicht. »Sie müssen das objektiv sehen! Nicht Ihre Kinder sind es, die da auf den Margeriten herumtrampeln, sondern fünf Lauser, denen der Schalk im Nacken sitzt. So etwas läßt sich gut verkaufen.«
    So lernte ich als erstes, daß der kommerzielle Aspekt immer Vorrang hat.
    Zu allem Unglück platzte auch noch Rolf in die
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