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Das Gutachten

Das Gutachten

Titel: Das Gutachten
Autoren: Sina Cartier
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blöde
Feministen-Anwältin doch nicht wirklich ernst meinen.
    »Frau Kaminski traf ihren
späteren Partner im Alter von 13 Jahren, einer Lebensphase in der die Menschen,
wie wir alle wissen, äußerst labil und beeinflussbar sind. Herr Wagner war
nicht nur der erste Mann in ihrem Leben, er war auch der Einzige, mit dem Frau
Kaminski eine ernsthafte Beziehung einging.
    Sandra Kaminski ist eine
intelligente Person, die durchaus mit beiden Beinen im Leben steht. Sie hat ein
hervorragendes Abitur und liefert auch in ihrem Studium beachtenswerte
Leistungen ab.
    Wenn es allerdings um den
sexuellen Bereich geht, zeigt die Patientin ausgeprägte devote Neigungen, die
sie zu einem Spielball einer stärkeren Persönlichkeit werden lässt.«
    »Sie meinen, Frau Kaminski
war ihrem Freund Christoph Wagner hörig?«
    »Dieses Wort wird im
allgemeinen Sprachgebrauch gerne verwendet, um ein Abhängigkeitsverhältnis
darzustellen. Deshalb kann man auch in dem vorliegenden Fall von Hörigkeit
sprechen. Frau Kaminskis eigener Wille wurde von Christoph Wagner bestimmt. Ja,
ich möchte sogar einen Schritt weitergehen und behaupten, dass ihre eigene Identität
auf einem passenden Gegenentwurf zu ihm erst gebildet wurde.
    Sie müssen sich das so
vorstellen: Wenn ein noch sehr junger Mensch eine andere, reifere Person trifft
und sich in ihn verliebt, versucht man ihm natürlich zu gefallen. Das ist seit
Menschengedenken so und wahrscheinlich säßen wir alle nicht hier, wenn die
Biologie nicht seit Jahrmillionen so funktionieren würde.«
    Ein paar Zuhörer im Saal
kicherten leise.
    »Wir Menschen wären
schlicht und ergreifend ausgestorben, wenn sich Männer und Frauen nicht so viel
Mühe geben würden, dem anderen Geschlecht zu gefallen.
    Doch bei Frau Kaminski ist
dieser überlebensnotwendige Instinkt übersteigert aufgetreten, weil sie neben
Christoph Wagner keine Vergleiche gezogen hat. Für sie gab es im Prinzip nur
den einen möglichen Partner und sie tat von frühester Jugend alles, um diesem
einen Menschen zu gefallen, um ihn für sich zu gewinnen.
    Weder andere Jungen oder
später Männer konnten in ihren Augen mit Christoph Wagner in Konkurrenz treten
und daher hatte sich in ihrem Innersten eine Urangst festgesetzt, dass ihr
eigenes Leben unlösbar mit dem von Christoph Wagner verbunden sei.
    Da der Mitangeklagte
allerdings schon sehr früh cholerische und äußerst egoistische Züge in der
Beziehung gezeigt hat, und zwar zu einem Zeitpunkt als Frau Kaminski die Reife
fehlte, um damit umgehen zu können, schaffte sie es nicht, ein eigenes
Selbstwertgefühlt aufzubauen.
    Alle ihre Taten, auch
Kleinigkeiten im Alltag, wurden gespiegelt durch die Aktion oder Reaktion von
ihrem Partner. Selbst in Momenten tiefster Demütigung und Verletzung war es Frau
Kaminski nicht möglich, sich gegen Christoph Wagner aufzulehnen oder ihm
Widerstand entgegenzubringen.«
    An diesem Punkt hakte Frau
Berger ein: »Welche Konsequenzen hatte das für die Angeklagte?«
    »Nun, wie ich eben bereits
gesagt habe, wurde ihre Persönlichkeit im Wesentlichen durch Christoph Wagner
geformt und ausgebildet. Die Konsequenz daraus ist auch heute noch deutlich
wahrnehmbar, indem Frau Kaminski bestimmte Geschehnisse und Ereignisse anders
interpretiert als ich es tun würde, der von außen beobachtet.«
    »Können sie dafür Beispiele
nennen?«
    »Natürlich. Es gibt in dem
noch recht kurzen Leben der Angeklagten mehrere traumatische Erlebnisse, in
denen Frau Kaminski Unrecht angetan wurde. Und dennoch sucht die Patientin die
Schuld in der Regel zuerst bei sich selber, auch in den Fällen, wo sie
eindeutig ein Opfer gewesen ist.«
    Chris lachte abermals abfällig,
doch Dr. Renn fuhr unbeeindruckt fort.
    »In ihrer Wahrnehmung steht
das Wohl von Christoph Wagner immer an erster Stelle. Ihre eigenen Wünsche,
Bedürfnisse und Meinungen treten dahinter zurück.«
    »Würden sie sagen, dass man
daher eine verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten ableiten kann?«
    »Dieses zu Beurteilen
liegt nicht in meiner Befugnis. Jedoch kann ich aus psychologischer Sicht klar
feststellen, dass Frau Kaminskis eigener Antrieb nicht krimineller Natur war.
Sie hat auch mir gegenüber nie von Geld oder einem schönen Leben gesprochen.
Sie wollte sich nicht persönlich bereichern, es ging ihr ausschließlich darum,
ihrem Partner zu gefallen und seine Pläne mitzutragen.
    Aus diesem Grund empfehle
ich dem Gericht ausdrücklich eine Fortführung der Therapie anzuordnen.
Anderenfalls
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