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Das Gutachten

Das Gutachten

Titel: Das Gutachten
Autoren: Sina Cartier
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wäre eine Rückfallgefahr bei der Patientin höchst wahrscheinlich.
Die Chance, dass sie ein wirklich selbstbestimmtes Leben ohne eine solche
Therapie führen kann, halte ich für sehr gering.«
    »Vielen Dank, Herr Dr.
Renn. Frau Richterin, ich habe keine weiteren Fragen an den Gutachter.«
     

Kapitel 36
     
    Unsicher betrat Sandra die Kanzlei ihrer
Anwältin. Christina Berger hatte sie angerufen und zu einem Termin bestellt,
weil inzwischen das Urteil rechtskräftig geworden war.
    »Sie sind gerade noch einmal mit einem
blauen Auge davon gekommen, Frau Kaminski. Wie wir miteinander vereinbart
haben, gehen wir nicht in Revision und akzeptieren das Strafmaß von sechs
Monaten auf Bewährung.
    Ihren Ex-Freund hat es deutlich härter
getroffen. Wie ich mitbekommen habe, wollen seine Anwälte Berufung einlegen,
weil sie das Strafmaß nicht akzeptieren.«
    »Das geht?« Sandra sah Christina
Berger ungläubig an.
    »Das sieht unser Rechtssystem so vor.
Immerhin kann auch ein Gericht einmal Fehler machen und dann müssen die
Angeklagten natürlich die Chance bekommen, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
    Im seinem Falle, halte ich persönlich allerdings
eine Strafminderung für eher unwahrscheinlich. Das Gericht hat ihm einen ‚besonders
schweren Fall‘ zur Last gelegt und da gibt es eben Mindestsätze. Von Reue habe
ich bei ihm auch nichts feststellen können und deshalb denke ich, dass das
Urteil auch von anderen Instanzen bestätigt wird. Allerdings liegt das nicht in
meiner Zuständigkeit.«
    »Was bedeutet ein ‚besonders schwerer
Fall‘? Ich dachte, so etwas kommt nur vor, wenn man jemanden entführt oder ihm eine
Knarre an den Kopf hält.«
    »Nein, diese Fälle gibt es zwar auch
und sie werden sehr streng geahndet. Hier geht es aber um etwas anderes. In der
Urteilsbegründung gegen ihren Ex wurde erschwerend gewertet, dass sich die Erpressungen
über einen langen Zeitraum an zahlreichen Männern mit sehr hohen Summen hingezogen
haben. Da die Opfer gezielt ausgewählt und ausspioniert wurden, ist die
Richterin von einer regelrecht ‚gewerbsmäßigen Tätigkeit‘ ausgegangen. Und das
wird härter bestraft, als wenn sie einmalig einen Mann mit intimen Bildern oder
Filmen erpresst hätten.
    Daher glaube ich nicht, dass Herr
Wagner viel Erfolg in der Revision haben wird.
    Aber nun zu ihnen.«
    Christina Berger lächelte freundlich.
Nachdem Sandra anfangs noch eine gewisse Antipathie gegenüber der Anwältin empfunden
hatte, waren sich die beiden Frauen in der Prozessvorbereitung und bei der
eigentlichen Verhandlung in gewisser Weise näher gekommen.
    Sandra hatte Vertrauen zu ihr gewonnen
und immerhin hatte die Anwältin sie gut vertreten und beraten. Da die
Tatbeteiligung eindeutig war, wurde auch sie verurteilt und galt als
vorbestraft. Aber die Bewährungszeit würde sie überstehen und sie war froh,
wieder aus der Haft entlassen worden zu sein.
    «Wie geht es ihnen, Sandra?«
    »Naja, eigentlich geht’s mir gut. Im
Moment wohne ich vorübergehend in einer Wohngruppe und da ist es ganz in
Ordnung. Die anderen sind nett, aber wir lassen uns gegenseitig in Ruhe. Die
meisten bleiben eh nicht lange dort. An so einem Ort schließt man keine
Freundschaften, das ist eher eine Zweckgemeinschaft, aber ok.«
    Die Anwältin nickte und lächelte.
    »In dem Zusammenhang habe ich gute
Nachrichten: Mich hat gestern der Anwalt ihres Vaters angerufen und wir werden
uns morgen zu einem Termin treffen. Ich kann davon ausgehen, dass ihre Familie
es nicht auf eine Unterhaltsklage ankommen lassen möchte. Auch wenn ihr Vater
sich bislang geweigert hat, ist er ihnen gegenüber unterhaltspflichtig und das
wird ihm auch sein Anwalt gesagt haben.«
    »Das heißt, ich könnte dann in eine
eigene Wohnung ziehen?« Sandras Augen hellten sich auf.
    »Grundsätzlich ja. Sie müssen sowieso die
Wohngruppe nach einer gewissen Zeit verlassen, weil diese nur als Überbrückungsmöglichkeit
gedacht ist. Große Sprünge werden sie sich aber mit dem Unterhalt nicht
erlauben können.«
    »Darf ich neben dem Studium noch
jobben? Oder wird mir dann gleich alles gekürzt?«
    »Natürlich dürfen sie sich etwas auf
legalem Wege dazu verdienen. Ich empfehle ihnen darüber aber auch mit ihrem
Bewährungshelfer zu sprechen. Vielleicht kann er ihnen sogar etwas vermitteln.
Ihr Studium darf aber nicht darunter leiden, ansonsten könnte ihr Vater
wiederum die Zahlungen einstellen.«
    Jetzt wurde die Anwältin ernst.
    »Was ihr Studium allerdings für
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