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Das Gutachten

Das Gutachten

Titel: Das Gutachten
Autoren: Sina Cartier
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andere Hinweise gefunden, mit deren Hilfe die meisten Opfer identifiziert
werden konnten.
    Die beschlagnahmten
Videos, von denen einige Ausschnitte im Zuge der Beweisaufnahme gezeigt worden
waren, ließen keine Zweifel an den Taten an sich. Die Sachlage war völlig
eindeutig und die Aussagen der Zeugen deckten sich in allen entscheidenden
Punkten. Auch wenn sich nicht viele Opfer bereit erklärt hatten, vor Gericht
auszusagen, gab es mehrere Protokolle mit Geschichten, die ein klares Bild der
Methode zeichneten.
    Die vorsitzende Richterin
Dr. Elisabeth Kramer war eine erfahrene Juristin, die in ihrer langen Amtszeit
schon vielen Kriminellen gegenüber gestanden hatte. Sie kannte alle Tricks der
Angeklagten und ließ sich weder von übertriebener Reumütigkeit noch von
vehementen Unschuldsbeteuerungen beeindrucken.
    Christoph Wagner hatte sich
keine dieser beiden typischen Taktiken zu eigen gemacht. Mit einer den Raum
erfüllenden Arroganz saß er auf seinem Anklagestuhl und blickte gelangweilt
durch den Raum. Nur Sandra schaute er so gut wie nie an und wenn sich ihre
Blicke kreuzten, strafte er sie mit Verachtung.
    Nach seiner Meinung war es
ihre alleinige Schuld gewesen, dass sie gefasst worden waren. Sandra hatte
nicht richtig aufgepasst und die Falle nicht erkannt. Nur sie hatte versagt,
sie hatte ihnen beiden diese Scheiße eingebrockt. Sandra hatte das schöne Leben
beendet, das gerade erst angefangen hatte, aber noch etliche Jahre hätte
weitergehen können.
    Christophs Lippen formten
sich zu einem schmalen Spalt, seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt und es
kostete ihn etliche Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. Er machte sich keine
Hoffnungen, ein mildes Urteil zu bekommen, daher musste er hier auch nicht den
braven Saubermann spielen.
    Sandra hingegen rutschte
unruhig auf ihrem Platz hin und her. Auch wenn Dr. Renn ihr versprochen hatte,
keine Details aus den Sitzungen vor Gericht auszubreiten, wusste sie nicht, was
sie in dem nächsten Minuten erwartete. Ihre Nerven waren zum Zerreißen
gespannt. Konnte es tatsächlich sein, dass seine Aussage wesentlich über ihre
Zukunft entschied?
    Dr. Renn kannte das
Prozedere und war die Ruhe selbst, als er die ersten formalen Fragen beantwortete.
Wie gebannt hing Sandra an seinen Lippen, auch wenn er noch gar nichts wirklich
Interessantes gesagt hatte.
    Sandras Verteidigerin Christina
Berger blätterte kurz durch ihre Unterlagen und schaute anschließend freundlich
zu Dr. Renn herüber.
    »Herr Doktor, ich habe
hier ihr Gutachten über die Angeklagte Sandra Kaminski vorliegen. Darf ich
ihnen dazu ein paar Fragen stellen?«
    Bei dem Wort ‚Gutachten‘
war Christoph Wagner aufgeschreckt. »Meine Fresse, was wird hier für ein
verficktes Spiel gespielt?« raunte er seinem Anwalt zu. Doch dieser zuckte nur
unwissend mit dem Schultern und durchsuchte hektisch seine Papiere.
    »Wer ist das?«
    Eine Mischung aus Ungeduld
und Misstrauen war deutlich in Christophs Stimme erkennbar.
    »Es ist einer der
Gerichtspsychologen, die immer dann zu Rate gezogen, wenn es um Schuldfähigkeit
von Angeklagten geht.«
    »Stellt hier etwa
irgendjemand die Schuldfähigkeit dieser unfähigen Schlampe infrage? Die haben
doch alle die Filme gesehen, da bleibt doch wohl kein Zweifel!«
    Inzwischen sprach Chris so
laut, dass ihn jeder im Saal verstehen konnte. Die Richterin ermahnte ihn und
bat die Anwältin, mit der Befragung des Psychologen fortzufahren.
    »Herr Dr. Renn, wie oft
haben sie die Patientin Frau Kaminski gesehen?«
    »Es gab insgesamt 6
Stunden, die in meinem Behandlungszimmer stattgefunden haben, als Frau Kaminski
in Untersuchungshaft gesessen hat. Darüber hinaus hat sie einige schriftliche
Aufgaben erledigt.«
    »Halten sie die Anzahl der
Stunden für ausreichend, um ein umfassendes Bild der Patientin zu bekommen?«
    »Nun, in diesen Fällen
spielt der Zeitfaktor natürlich eine Rolle. Für eine ausgiebige Psychoanalyse
benötigt man mit Sicherheit viel mehr Sitzungen. Bei der Vorgeschichte war
allerdings eine gewisse Grundtendenz zu vermuten, die ich dann gezielt untersucht
habe. Und das geht auch in kürzerer Zeit.«
    »Könnten sie uns das näher
erläutern, Herr Doktor?«
    »Gern. Bei der Patientin
handelt es sich um eine junge Frau, die in den letzten Jahren massiv von ihrem
Lebensgefährten, den ebenfalls angeklagten Christoph Friedrich Wagner Junior,
dominiert wurde.«
    Chris schnaubte
verächtlich und schüttelte ungläubig seinen Kopf. Das konnte diese
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