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Das Grauen in den Bergen

Das Grauen in den Bergen

Titel: Das Grauen in den Bergen
Autoren: Fred Ink
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verbunden. Mein Kreislauf hatte sich stabilisiert, doch bestand die Alte darauf, dass ich noch für einige Minuten auf ihrer Bank liegenblieb.
    Das Haus war einfach, die Möbel spärlich und altmodisch. Um mich aufzuwärmen, prasselten einige Holzscheite im Kamin.
    Meine Gastgeberin redete auf mich ein, während sie emsig umherhuschte: »Glück ham Se gehabt. Wie’s aussieht, brauchen wir Nadel und Faden nich‘. Sei’n Sie froh, dass Sie so nen dicken Mantel anhatten. Ich wasch‘ Ihre Sachen, das mach‘ ich. Und wenn alles wieder trocken ist, näh‘ ich die kaputten Stellen. Rühr’n Se sich nich‘, dann mach‘ ich Ihnen gleich noch ne Suppe. Sie müss’n ja ganz durchgefroren sein.«
    Die Aussicht auf ein warmes Mahl erleichterte mir das Stillhalten erheblich. Ich besah mir die Frau genauer. Sie schien alt zu sein, allerdings war etwas an der Art ihrer Gebeugtheit, das nicht von den Lebensjahren herrührte. Eine Last schien ihr auf der Seele zu liegen. Selbst langjährige und harte körperliche Arbeit kann nicht solch tiefe Sorgenfalten reißen.
    »Wie … wie heißen Sie, gute Frau?«
    »Pickman. Das is‘ mein Name, Mister.«
    »Mrs. Pickman?«
    »Jawohl, Gott is‘ mein Zeuge!«
    Ich war erfreut, glaubte ich nun doch, dass sich noch mindestens ein dritter Mensch in dem Dorf aufhielt.
    »Wo ist Mr. Pickman?«
    Die krumme Gestalt versteifte sich. Die Hände, die eben noch eifrig mit dem Waschzuber beschäftigt gewesen waren, stellten die Arbeit ein.
    »Er … er is‘ fort«, murmelte sie schließlich. »Gestorben.«
    »Das tut mir leid«, versuchte ich meinen Fehltritt zu korrigieren. »Ich … es …«
    Sie warf mir einen seltsamen Blick zu, irgendwie lauernd und abschätzend. »Wenn’s Ihnen wirklich leid tut, warum sind Se dann hier?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Nun stand sie auf, streifte die nassen Hände an der Schürze ab und kam zu mir herüber. Sie sah mir in die Augen, als sie fragte: »Woll’n Sie mir erzähl’n, Sie wüssten nich‘, was meinen Butch geholt hat? Sie und Ihre Sippe wiss‘n darüber doch mehr als jeder and’re.«
    »Ich … nein, ich weiß nichts. Wovon sprechen Sie, Mrs. Pickman?«
    Sie stemmte die arthritischen Hände in die Hüften. »Am Besten erzähl’n Sie jetzt erst mal mir, was Se hier woll’n. Dann überleg‘ ich mir, was ich Ihnen alles sagen werd‘.«
    Also berichtete ich ihr von dem Testament und dem Schreiben, von meiner Absicht, das Haus zu durchsuchen, um es anschließend zu verbrennen und von den Zweifeln bezüglich meiner Abstammung. Sie lauschte beinahe andächtig und versicherte mir schließlich: »Glauben Se’s ruhig, junger Mann. Sie sind Ihr’s Vaters Sohn, das seh‘ ich sofort. Und wenn Sie wirklich die Wahrheit gesagt ham, helf‘ ich Ihnen gern.«
    Ich war mehr als verblüfft. »Sie haben nichts dagegen, dass ich das Haus verbrenne?«
    »Nein, nich‘ mal’n Stück. Aber ich find’s nich‘ gut, dass Sie sich noch umsehen woll’n. Was Ihre Eltern hier gemacht ham, is nich‘ gut, junger Mann. Zerstör’n Sie alles und verschwind‘n Se wieder.«
    »Tut mir leid, das kann ich nicht. Würden Sie einfach die Gelegenheit verstreichen lassen, etwas über Ihre Familie zu erfahren? Eine Familie, die Sie nie kennenlernen durften?«
    Sie seufzte. »Sie ham wohl Recht. Aber trotzdem sollt‘ das, was Ihre Leut‘ hier über die Jahre getrieb’n ham, besser vergessen sein.«
    »Darf ich fragen, warum Sie das Haus nicht längst selbst zerstört haben? Es scheint mir, als könne Ihnen seine Vernichtung gar nicht früh genug kommen.«
    Sie blickte betreten zu Boden und rang die Hände. »‘s ist nich‘ so einfach, junger Mann. Seh’n Se, ich … ich darf nichts unternehm‘n gegen die Dinge, die Ihre Familie gemacht hat. ‘s würd mich sonst strafen, mich hol’n …« Ihre Stimme wurde zu einem unverständlichen Murmeln.
    »Sie holen? Wovon sprechen Sie?«
    Plötzlich gab sich die Alte einen Ruck. Sie setzte ein gezwungenes Lächeln auf. »Ach, hör’n Se nich‘ auf mich, junger Mann. Dummes Bauerngewäsch von ner alten Schachtel, nichts weiter. Durchsuchen Se Ihr Haus. Ich geb‘ Ihn’n gern ‘n paar Lebensmittel, damit Sie ersma über die Runden komm‘n. Und wenn Sie soweit sind, geb’n Se mir Bescheid und wir leg’n das prächtigste Feuerchen, das dies‘ Dorf je geseh’n hat!«
     

- Ein Heim und eine Entdeckung -
     
    Kurz darauf geleitete mich Mrs. Pickman zum Haus meiner Eltern – ja, meiner Eltern. Ich muss zugeben, dass sich
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