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Das Grauen in den Bergen

Das Grauen in den Bergen

Titel: Das Grauen in den Bergen
Autoren: Fred Ink
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Ding hervorgerufen, und das, obwohl wir ihm nie wirklich nahe waren. Es hat deinen unreifen Verstand vergiftet, während er sich im Mutterleib entfaltete. Und weil wir selbst nach deiner Geburt nicht von der Sache lassen konnten, mussten wir dich hergeben. Verstehst du? Du wärest ansonsten längst tot. Wir taten es, um dich zu schützen.
    Diese Sache … sie ist das Schönste und zugleich Schrecklichste, das ein Mensch sich vorzustellen vermag. Freundschaften wurden dafür beendet, Herzen gebrochen, Leben genommen. Und nichts hat die Suchenden ihrem Ziel näher gebracht.
    Es würde dich ebenfalls vernichten. Also lass die Sache ruhen. Kehre niemals in das Dorf zurück und erzähle niemandem davon. Am besten verbrennst du auch diesen Brief.
    Ich werde nun die erste edle und richtige Tat seit vielen Jahren vollbringen. Und gleichzeitig wird es meine letzte sein.
    Ich wünschte, ich hätte den Mut gefunden, dir in die Augen zu sehen, während ich dir dies alles berichte.
    Vergib uns.
     
    Frederick von Coldlowe
     
    ***
     
    Du kannst dir sicher vorstellen, wie sehr mich die Lektüre dieses Schreibens bestürzte, Magdalene. Zwar war ich noch immer nicht vollkommen überzeugt davon, der Adressat des Textes zu sein, doch waren meine Zweifel hinlänglich ausgeräumt, um mich tiefes Mitgefühl, eine gewisse Befriedigung, Sorge und Wut gleichermaßen verspüren zu lassen.
    Ob dieser Frederick mein Vater war oder nicht (die Fotografie war ein starker Beweis, doch geschickte Fälschung vermag selbst das geschulteste Auge zu täuschen), er tat mir aufrichtig leid. Man musste kein Hellseher sein, um seine Todesursache zu erraten. Er hatte sich selbst erschossen – und der verfrühte Tod seiner Frau hatte allem Anschein nach nicht unerheblich zu dieser Entscheidung beigetragen. Er hatte sein Leben einer ausweglosen Sache verschrieben, und diese Sache hatte ihn am Ende vernichtet. Es las sich wie eine griechische Tragödie.
    Falls ich tatsächlich sein Sohn war, so war ich einerseits wütend auf ihn – weil er mich verstoßen, mir die elterliche Liebe vorenthalten hatte –, andererseits flößte mir die Vorstellung, ich könnte von adeliger Abstammung sein, auch Stolz ein. Hatte ich nicht mehr erduldet als die meisten Menschen? War ich nicht erhobenen Hauptes aus jeder Katastrophe hervorgegangen? Mein Geist ist krank, doch ich war stets bemüht, die Gewalt über mein Leben nicht aus der Hand zu geben. Und zu jenem Zeitpunkt hatte ich die Kontrolle. Die Dämonen waren gebändigt. Waren es die Coldlowe’schen Tugenden, die mich dies hatten vollbringen lassen?
    Selbstverständlich plagte mich das schlechte Gewissen, weil ich den Brief verfrüht geöffnet hatte. Doch barg diese Verfehlung eine gewaltige Chance. Mein vermeintlicher Vater sprach von Geheimnissen, machte Andeutungen, die so erschreckend und zugleich verlockend klangen …
    Du kennst mich, Magdalene. Du weißt, wie neugierig ich immer war. Nichts quält mich mehr als ein hübsch verpacktes Geschenk, dessen Inhalt ein Mysterium für mich darstellt. Und hätte mein vermeintlicher Vater mehr über mich gewusst, er hätte mit Sicherheit ein weniger rätselhaftes Schreiben aufgesetzt. Schon während des Lesens war mir klar, dass ich das Haus wie geplant untersuchen würde. Verbrennen konnte ich es auch später, weder das Gebäude noch Vanderbilts Scheck würden davonlaufen. Ich musste einfach erfahren, was so magnetisch an den Menschen gesogen hatte, die vorgaben, mich gezeugt zu haben.
    Mein Koffer war ohnehin gepackt, ein Busticket rasch gekauft. Am Nachmittag des nächsten Tages erreichte ich das Dorf.

- Eine Ortschaft und eine Düsternis -
     
    Meine Nasenspitze kribbelte, als ich den Bus verließ; vermutlich platzten in der dünnen Luft einige Blutgefäße. Der Fahrer machte keinen Hehl daraus, dass er die Gegend schnellstmöglich wieder verlassen wollte. Ich war der letzte Fahrgast gewesen, niemand sonst wagte sich so weit in das Mittelgebirge vor. Die Haltestelle wurde nur bei Bedarf angesteuert – und der bestand nicht häufig. Kaum hatte ich zwei Schritte getan, wendete das Vehikel hinter mir bereits und ruckelte den ausgeschlagenen Weg hinab.
    Der Pfad führte einen oder zwei Kilometer durch den Wald. Es war düster, die Luft klamm und kalt. Der Wind strich mit Rasierklingen über meine Wangen. Während ich den Koffer zwischen den Stämmen dahinschleppte, sann ich darüber nach, ob ich mich vor wilden Tieren in Acht nehmen musste. Wölfe und Bären sind selten
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