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Das Grauen in den Bergen

Das Grauen in den Bergen

Titel: Das Grauen in den Bergen
Autoren: Fred Ink
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verlassen. Dort vorne lebte sicherlich jemand, und diese Person besaß einen Hund, der eben sein Revier abgesteckt hatte. Die ungewohnte Umgebung musste sich nachteilig auf meine Psyche auswirken, wenn mich so etwas dermaßen aus der Fassung …
    Plötzlich kam er um die Ecke geschossen. Seine Zunge wehte bei jedem Satz neben ihm her wie eine Standarte. Das Maul war weit aufgerissen, die Zähne darin gebleckt. Oh ja, es war ein Hund. Ein Exemplar von der Größe eines Kalbs. Er hatte kurzes, in verschiedenen Brauntönen geschecktes Fell, einen schlanken, muskulösen Körper und bösartige, rote Augen. Und er kam direkt auf mich zu.
    Im letzten Moment riss ich den Koffer empor. Ich hielt ihn zwischen mich und das tierische Projektil, das sich auf mich zu bohrte. Der Aufprall trieb mir die Luft aus den Lungen und warf mich auf den Rücken. Kalter Schlamm drang mir in die Kleidung. Ehe ich Atem schöpfen konnte, war das Tier schon wieder heran. Speichelflocken troffen von seinen Lefzen, als es nach meinem Gesicht schnappte. Reflexartig hob ich den linken Arm. Spitze Zähne wurden von kräftigen Kiefern in mein Fleisch getrieben. Ich brüllte vor Schmerzen, wand mich und verteilte blindlings Faustschläge. Doch der Hund hielt meinen Unterarm fest umklammert und riss mit solch gewaltiger Kraft daran, dass er meinen Körper durch den Morast schleifte. Mir stieg der Geruch des Tiers in die Nase: animalisch, moschusartig, vermischt mit dem Gestank von verwesendem Fleisch, der seinem Rachen entströmte.
    Mir schwanden die Sinne. Die Düsternis nahm zu, während meine Wahrnehmungen in gleichem Maße reduziert wurden. Wie von fern hörte ich eine Stimme krächzen: »Boxer! Was tust’n da, um Himmels will’n?«
    Mein Hinterkopf prallte immer wieder auf den Boden. Wäre der Weg trocken und fest gewesen, ich hätte schon längst das Bewusstsein verloren gehabt.
    »Boxer! Aus! Hörst’n nich, du dummes Vieh? Lass den Mann los, verdammt!«
    Die Erfahrung rettete mich. Wer lange Jahre in Nervenheilanstalten verbracht hat, musste zwangsläufig einige Kämpfe mit unberechenbaren und gefährlichen Gegnern überstehen. Ein Mann kann jegliche Menschlichkeit verlieren und mit bestialischer Gewalt toben, wenn der Wahnsinn ihn packt. Diese Begegnungen haben einen effektiven, sich unorthodoxer Methoden bedienenden Kämpfer aus mir gemacht. Man erfreut sich nicht lange guter Gesundheit, wenn man versucht, einem Irren im fairen Kampf gegenüberzutreten.
    Meine Rechte tastete sich am Bauch des Untiers entlang. Es zerrte noch immer an meinem Arm, höllische Schmerzen tobten darin. Ich spürte, wie die Wunden weiter aufrissen und erschreckende Mengen an Blut erbrachen. Und dennoch schob ich die Hand tiefer, bis ich schließlich zu fassen bekam, wonach ich gesucht hatte. Zu meinem Glück handelte es sich bei dem monströsen Hund um ein männliches Exemplar. Rasch drückte ich zu, so fest ich konnte.
    Augenblicklich verwandelte sich das Grollen über mir in schrilles Wimmern. Die Zähne lösten sich aus dem Arm, der Druck wurde von mir genommen. Humpelnd und mit eingezogenem Schwanz stahl sich das Tier davon.
    Ich wollte mich aufrichten, doch der Schwindel war zu stark. Kraftlos sank ich zurück in den Morast.
    Wieder erklang die Stimme, näher diesmal: »Um Himmels will’n, geht’s Ihn’n gut? Wir müss’n Ihr’n Arm verbinden. Lass’n Se sich aufhelfen, junger Mann! Er is‘ sonst’n ganz friedlicher, mein Boxer. So is‘ er eigentlich nur zu …«
    Ein weibliches, wettergegerbtes Gesicht schob sich über mich. Die grauen Haare waren mit Nadeln zu einem Knoten hochgesteckt, die Nase knollenartig, die Augen gelb, durchzogen von einem Netzwerk roter Äderchen und gesäumt von dunklen Ringen. Als ich nun gemustert wurde, weiteten sie sich entsetzt.
    »Sie … Sie sind einer von denen! Sie sind‘n Coldlowe!«
    Es klang wie eine Anschuldigung.
    »Bei Gott, Sie sind’n Coldlowe. Und ich hatt‘ gedacht, ‘s wär vorbei …«
    Mein Arm schmerzte noch immer, als würde er in Flammen stehen. Ich stöhnte. Das brachte die Alte scheinbar wieder zu sich. Sie schüttelte energisch den Kopf, beugte sich ganz zu mir herab und legte mir den Arm um die Schultern, um mir aufzuhelfen.
    »Egal wer Sie sind, komm’n Se ers‘ mal mit! Mein Hund hat Sie verletzt, und ich muss jetzt zuseh’n, dass ich Sie verarztet bekomm‘.«
     
    ***
     
    Eine halbe Stunde später waren meine Wunden ausgewaschen, mit einer dubiosen Kräutersalbe bestrichen und
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