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Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)

Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)

Titel: Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
Autoren: Toni Feller
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gehandelt habe.«
    Nach fast eineinhalb Jahren Untersuchungshaft fällte am Freitag, dem 21. Oktober 1960, die Schwurgerichtskammer das Urteil über Heinrich Pommerenke. Der Angeklagte erhielt für die vier Morde und zwölf Mordversuche sechsmal lebenslanges Zuchthaus sowie für die übrigen Straftaten eine weitere Gesamtzuchthausstrafe von 140 Jahren.
    Am 13. November 2003, also 43 Jahre nach der Urteilsverkündung, habe ich den zu diesem Zeitpunkt 66-jährigen Heinrich Pommerenke im ehemals sichersten Gefängnis Deutschlands, in der Vollzugsanstalt Bruchsal, besucht. Er ist das lebende und wohl nicht so oft vorkommende Paradebeispiel dafür, dass die von deutschen Gerichten zu vergebende Höchststrafe, eine lebenslange Freiheitsstrafe, tatsächlich auch lebenslang sein kann.
    Im Besucherraum musste ich sehr lange warten, bis der Gefangene endlich erschien. Wie man mir sagte, wollte er vorher genau wissen, was Anlass meines Besuches sei. Erst als ihm mitgeteilt wurde, dass er keiner Straftat bezichtigt und auch nicht als Zeuge in einer Strafsache gehört, sondern wegen eines Buchprojekts einfach als der Mensch Heinrich Pommerenke befragt werden soll, erklärte er sich bereit, sich mit mir zu unterhalten.
    Ich saß also im drei mal vier Meter großen Besucherraum und wartete, bis man ihn mir vorführte. Dabei erinnerte ich mich an die Lichtbilder, die von dem damals 22-jährigen Pommerenke nach seiner Festnahme gemacht worden waren. Ich hatte sie mir beim Studium seiner Akten gut eingeprägt. Der Serienmörder sah damals keineswegs furchterregend aus. Er war ein hochaufgeschossener, fescher, junger Mann mit blonden, leicht welligen zurückgekämmten Haaren. Von vorne betrachtet, wirkte sein Gesicht eher gut aussehend, wenn er auch einen stechenden Blick hatte. Auf einem der Bilder zeigte er sogar den Anflug eines durchaus charmanten Lächelns. Im Profil fiel eine zur Mundpartie und Kinn leicht überproportional vorspringende Nase auf, die das Gesicht entschlossen wirken ließ.
    Rein optisch gesehen, handelte es sich bei Pommerenke eher um einen ganz normalen Menschen. Keinesfalls konnte man in ihm auf Anhieb den Serienkiller erkennen.
    Als dann endlich die Tür aufging und ein älterer Mann in Begleitung eines Justizvollzugsbeamten eintrat, erschrak ich. Zugleich dachte ich, man würde mich veralbern. Es stand ein etwa 1,80 Meter großer und 95 Kilogramm schwerer Mensch vor mir, mit einem wild wuchernden, langen, braungrauen Vollbart, der fast das gesamte Gesicht verdeckte und hinunter bis zum Brustbein reichte. Auf dem Kopf trug er einen kakifarbenen, zerknitterten Campinghut. Bekleidet war er mit einer blauweißen Joggingjacke, einem grauen T-Shirt und einer dunkelgrauen Stoffhose. In der linken Hand trug er eine durchsichtige Plastiktüte, in der sich zwei Beutel mit Trinkmilch, zwei Bananen und eine Packung Knäckebrot befanden.
    Obwohl mir bei seinem Anblick eine Gänsehaut über den Rücken lief, streckte ich dem Gefangenen zur Begrüßung meine Hand entgegen. Der Händedruck des Serienmörders Heinrich Pommerenke war nicht unangenehm, dennoch flößte er mir, dem gestandenen Kriminalhauptkommissar, einen gewissen Respekt ein. Wir schauten uns dabei in die Augen, und ich wusste in diesem Moment, dass es ein interessantes Gespräch werden würde.
    » Herr Pommerenke?« Die Anrede stellte ich, nachdem er sich auf einem Stuhl niedergelassen hatte, mehr als Frage an ihn, da ich immer noch nicht sicher war, dass ich es tatsächlich mit dem berühmtesten Gefangen der Vollzugsanstalt Bruchsal zu tun hatte.
    Er antwortete, ich solle bitte den Herrn weglassen, da es nur einen Herrn, und zwar den im Himmel, geben würde. Ich solle Pommerenke zu ihm sagen, das würde genügen.
    Als er seinen Hut abnahm, kam eine schon etwas lichte, mit ausgeprägten Geheimratsecken, grau-braune, fettige, bis weit über den Nacken reichende Kopfbehaarung zum Vorschein. Genau so sah nach vielen Jahren Kerkerhaft der » Graf von Monte Christo« in dem gleichnamigen Film aus, dachte ich.
    Nun trennte mich nur noch die Breite eines kleinen Tisches von der Bestie in Menschengestalt, wie er seinerzeit in den Zeitungen genannt wurde. Ich musste zwangsläufig an eine zugegebenermaßen äußerst unwirkliche Szene aus dem Film » Das Schweigen der Lämmer« denken, in der der streng bewachte Massenmörder und Kannibale Dr. Hanibal Lecter im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses einem Polizeibeamten ins Gesicht biss, ihn tötete und ihm
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