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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts
Autoren: Elizabeth Hoyt
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hastig dazwischen, ehe sie sein Bild als lüsternen, grausamen Unhold weiter ausschmücken konnte. „Ich verstehe, dass ich buttergelbem Haar und dem Salär eines Dorfgeistlichen nicht das Wasser reichen kann. Bitte, ich werde kampflos den heiligen Stand der Ehe räumen. Fliegen Sie zu Ihrer einzig wahren Liebe, Miss Templeton. Meine Glückwünsche und alles Gute."
    „Oh, ich danke Ihnen, Mylord!" Sie ergriff seine Hände und bedeckte sie mit feuchten Küssen. „Immer werde ich Ihnen dankbar sein, immer in Ihrer Schuld stehen. Wenn Sie je ..."
    „Wenn ich je eines buttergelbhaarigen Dorfpfarrers oder dessen Frau bedürfen sollte et cetera, et cetera. Ich werde es mir merken. Vielen Dank, Miss Templeton." Einer plötzlichen Eingebung folgend, kramte Jasper eine Handvoll Münzen aus der Tasche, die er nach der Hochzeit unters Volk hatte werfen wollen."Hier. Für Ihre Hochzeit. Ich wünsche Ihnen alles Gute mit ... äh, Mr Fernwood."
    Er schüttete die Münzen in ihre Hände.
    „Oh!" Miss Templetons Augen weiteten sich noch mehr. „Oh, danke !"
    Mit einem letzten feuchten Kuss auf seine Hand hüpfte sie hinaus. Vielleicht fürchtete sie, dass ihn seine spontane Großzügigkeit reuen könnte, wenn sie noch länger bliebe.
    Seufzend zückte Jasper ein großes, linnenes Taschentuch und wischte sich die Hände ab. Die Sakristei war klein und düster, die Wände aus demselben alten grauen Stein wie die Kirche, in der er hatte heiraten wollen. An einer Wand reihten sich Regalbretter aus dunklem Holz, darauf Kerzen, Pamphlete, Bibeln und Zinnteller. Hoch oben ein schmales Fenster mit kleinen, bleigefassten Rautenscheiben, dahinter strahlend blauer Himmel, an dem feierlich ein weißes Schleierwölkchen schwebte. Ein kleiner, trostloser Raum, gleich wieder leer und verlassen. Jasper steckte das Taschentuch zurück in die Westentasche. Ein Knopf war lose — das würde er Pynch sagen müssen. Neben dem Stuhl stand ein Tisch. Jasper stützte den Ellbogen darauf, hielt sich den Kopf und schloss die Augen.
    Pynch, sein Kammerdiener, wusste einen wunderbaren Muntermacher zu bereiten, der auch den dicksten Brummschädel kurierte. Bald könnte er nach Hause gehen, sich das Gebräu genehmigen, vielleicht wieder zu Bett gehen. Gottverdammt, was brummte ihm der Schädel. Schade, dass er nicht jetzt gleich verschwinden konnte. Vor der Sakristei erhoben sich Stimmen, hallten von der gewölbten Kirchendecke wider. Dem Vernehmen nach stieß Miss Templetons romantisches Ansinnen auf elterlichen Widerstand. Um Jaspers Mundwinkel zuckte es belustigt. Vielleicht teilte ihr Vater ihre Schwäche für buttergelbes Haar nicht. Einer Horde Franzosen hätte Jasper sich auf jeden Fall lieber gestellt als der Familie und den draußen wartenden Gästen.
    Seufzend streckte er seine langen Beine von sich. So schnell waren sechs Monate harter Arbeit vertan. Sechs Monate hatte es gekostet, Miss Templeton den Hof zu machen: Einen Monat, ein geeignetes Mädchen zu finden — eines aus guter Familie, nicht zu jung, nicht zu alt und hübsch genug, ihr im Bett beizuwohnen. Drei Monate, sie nach allen Regeln der Kunst zu hofieren, auf Bällen und in allerlei Salons mit ihr zu flirten, sie in seiner Kutsche auszufahren, mit Blumen, Naschereien und eitlem Tand zu erfreuen. Dann die alles entscheidende Frage, gefolgt von einer zufriedenstellenden Antwort und einem keuschen Kuss auf Miss Templetons jungfräuliche Wange. Danach war nur noch die Bestellung des Aufgebots geblieben sowie verschiedene Erledigungen und Verfügungen, die vor der glücklichen Eheschließung getätigt und getroffen werden wollten.
    Was also war schiefgegangen? Sie schien mit seinen Plänen völlig einverstanden, hatte vor dem heutigen Tag kein einziges Mal Zweifel bekundet. Ihre Begeisterung anlässlich seines Geschenks (perlenbesetzter goldener Ohrringe) hätte man gar als ekstatisch bezeichnen können. Woher also dieser plötzliche Sinneswandel, diese aberwitzige Idee, einen Landpfarrer mit buttergelbem Haar zu heiraten?
    Seinem älteren Bruder Richard — so er denn lang genug gelebt hätte, um sich eine Viscountess suchen zu müssen — wäre das bestimmt nie passiert. Ihm wären die Verlobten nicht reihenweise abhanden gekommen. Vielleicht liegt es ja an mir, dachte Jasper verdrießlich. Vielleicht war etwas an ihm, was dem schönen Geschlecht missfiel — zumindest im Hinblick auf die Ehe. Es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass ihm nun schon das zweite Mal binnen eines Jahres
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