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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts
Autoren: Elizabeth Hoyt
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würde es jungenhaft, vielleicht gar weibisch gewirkt haben. Nicht so bei ihm.
    Fast wäre sie gar nicht zu seiner Hochzeit gekommen. Mary war eine entfernte Cousine, mit der sie ihr Lebtag nur ein oder zweimal gesprochen hatte. Aber Gertrude, Melisandes Schwägerin, hatte sich an diesem Morgen unwohl gefühlt und darauf bestanden, dass Melisande ihren Zweig der Familie vertreten solle. Darum war sie hier — und hatte soeben wohl den kühnsten Schritt ihres Lebens gewagt.
    Wundersames Walten des Schicksals.
    Schließlich regte sich Lord Vale. Er rieb sich mit einer Hand übers Gesicht, spähte zwischen langen, gespreizten Fingern hervor. „Ich bin ein Idiot, Sie müssen schon verzeihen, aber ich kann mich beim besten Willen nicht an Ihren Namen erinnern."
    Natürlich nicht. Sie hatte sich von jeher lieber am Rand des Geschehens gehalten. Niemals Mittelpunkt sein, nur nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf sich ziehen.
    Während er das genaue Gegenteil war.
    Sie holte tief Luft und presste die Hände fest zusammen, um ihr Zittern zu bezwingen. Eine bessere Gelegenheit würde sie nie bekommen, weshalb sie das jetzt nicht verpfuschen durfte.
    „Ich bin Melisande Fleming. Mein Vater war Ernest Fleming von den Northumberland Flemings." Ihre Familie war alt und angesehen, doch ausführlicher wollte sie nicht werden. Wenn er noch nie von ihnen gehört hatte, könnten derartige Beteuerungen ihrer Respektabilität sich nur gegenteilig auswirken. „Vater ist tot, aber ich habe zwei Brüder, Ernest und Harold. Meine Mutter war eine preußische Emigrantin; auch sie ist verstorben. Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich mit Lady Emeline befreundet bin, die ..."
    „Ja, ja, schon gut." Er winkte ab. „Ich weiß, wer Sie sind, ich wusste nur nicht ..."
    „Wie ich heiße."
    „Genau. Wie ich bereits sagte, ich bin ein Idiot."
    Sie schluckte. „Dürfte ich um Ihre Antwort bitten?"
    „Nun, es ist so ...", er schüttelte den Kopf und gestikulierte vage, „... ich weiß, dass ich gestern Abend zu viel getrunken habe, und wahrscheinlich hat auch Miss Templetons Flucht mich ein wenig mitgenommen, aber mir will sich partout nicht erschließen, weshalb Sie mich heiraten wollen."
    „Sie sind Viscount, Mylord. Nur keine falsche Bescheidenheit."
    Ein verhaltenes Lächeln umspielte seine Lippen. „Für eine Dame, die um die Hand eines Gentleman bittet, haben Sie eine recht lockere Zunge, finden Sie nicht auch?"
    Sie spürte, wie ihr das Blut in Hals und Wangen stieg. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte die Tür aufgerissen und wäre einfach davongelaufen.
    „Warum", fragte er ruhig, „wollen Sie von allen Viscounts dieser Welt ausgerechnet mich heiraten?"
    „Weil Sie ein Ehrenmann sind. Das weiß ich von Emeline", wagte Melisande sich weiter vor und wählte jedes Wort mit ausgesuchter Sorgfalt. „Aus der kurzen Verlobungszeit mit Mary schließe ich, dass Sie sich baldmöglichst vermählen wollen."
    Er neigte den Kopf zur Seite. „So könnte es den Anschein haben."
    Sie nickte. „Und ich möchte nicht länger auf den Großmut meiner Brüder angewiesen sein, sondern meinen eigenen Hausstand haben." Was nur die halbe Wahrheit war.
    „Haben Sie keine eigenen Einkünfte?"
    „Ich verfüge über eine beträchtliche Mitgift und zudem über ein nicht geringes Vermögen. Aber eine unverheiratete Frau kann wohl kaum allein leben."
    „Wohl wahr."
    Er betrachtete sie, schien offensichtlich recht zufrieden, dass sie vor ihm stand wie eine Bittstellerin vor dem König. Nach einer Weile nickte er und stand auf. Seine Größe zwang sie, zu ihm aufzusehen. Für eine Frau mochte sie groß sein, aber er war für einen Mann auch nicht gerade klein.
    „Verzeihen Sie, aber ich muss jetzt offen sprechen, um peinlichen Missverständnissen vorzubeugen. Ich wünsche eine richtige Ehe. Eine Ehe, aus der — so Gott will — Kinder hervorgehen, die im ehelichen Bett gezeugt wurden." Er lächelte charmant, und seine türkisblauen Augen funkelten höchstens ein bisschen. „Entspricht das auch Ihren Vorstellungen?"
    Sie erwiderte seinen Blick, wagte kaum zu hoffen. „Ja."
    Er neigte den Kopf. „Dann, Miss Fleming, wäre es mir eine Ehre, Ihren Antrag anzunehmen."
    Ihr wurde ganz beklommen ums Herz, und zugleich war es, als flattere ein wilder Vogel gegen ihre Rippen, wolle sich aus seinem Käfig befreien und in heller Freude durch den Raum fliegen.
    Melisande reichte ihm die Hand. „Danke, Mylord."
    Mit einem leisen Schmunzeln blickte er
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