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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Kapitel 1
Jack marschierte seines Weges und pfiff fröhlich vor sich hin, denn er kannte keine Sorge ...
    aus Lachender Jack
    London, Mai 1765
    E s gibt im Leben eines Mannes wohl kaum Unerfreulicheres, als von seiner Zukünftigen am Tag der Hochzeit sitzen gelassen zu werden, dachte Jasper Renshaw, Viscount Vale. Wenn man dabei obendrein noch unter den verheerenden Nachwirkungen einer durchzechten Nacht zu leiden hatte ... nun, das war wirklich ausgemachtes Pech.
    „Es tut mir so l...l...leid!", jammerte Miss Mary Templeton, die vermeintlich Zukünftige, in einer Tonlage, die einem jeden Mann die Kopfhaut vom Schädel hätte lösen können. „Es war nie meine Absicht, Sie zu täuschen!"
    „Nun", sagte Jasper, „davon gehe ich aus."
    Am liebsten hätte er den schmerzenden Schädel in den Händen vergraben, hatte aber das ungute Gefühl, dass dies dem Ernst der Lage nicht angemessen wäre, schien dies doch offensichtlich ein bedeutsamer Augenblick in Miss Templetons Leben. Zumindest saß er. Ein einziger Stuhl stand, hart und hölzern, in der Sakristei, den er ganz unritterlich in Beschlag genommen hatte.
    Nicht dass es Miss Templeton etwas ausgemacht hätte: Sie plagten andere Nöte.
    „Oh, Mylord!", rief sie aus, womit vermutlich er gemeint war, wenngleich in Anbetracht des Ortes auch die Anrufung höheren Beistands nicht unwahrscheinlich schien. „Ich konnte nicht anders. Ich konnte einfach nicht anders. Oh, wie schwach und elend wir Frauen sind! Zu schlichten Gemüts, zu feurigen Herzens, um dem Sturm der Leidenschaft zu trotzen!"
    Sturm der Leidenschaft? „Zweifellos", murmelte Jasper.
    Er wünschte, ihm wäre an diesem Morgen Zeit für ein Glas Wein geblieben. Oder auch für zwei. Das hätte seinen Kopf vielleicht ein wenig geklärt und ihm geholfen zu verstehen, was seine Verlobte ihm zu sagen versuchte, abgesehen von dem offensichtlichen Umstand, dass sie nicht länger die vierte Viscountess Vale werden wollte. Aber er — armer, argloser Trottel, der er war — hatte sich heute Morgen in dem Glauben aus dem Bett gequält, dass ihm nichts Schlimmeres bevorstünde als eine sterbenslangweilige Hochzeit, gefolgt von einem ausgedehnten Hochzeitsmahl. Weit gefehlt. Mr und Mrs Templeton hatten ihn am Kirchportal empfangen: Er mit finsterer Miene, sie in hektischer Aufgelöstheit. Als Jasper noch dazu frisch vergossene Tränen auf dem Antlitz seiner reizenden Braut hatte erblicken müssen, war ihm in den Tiefen seiner dunklen, abgründigen Seele die Ahnung gekommen, dass er heute keinen Hochzeitskuchen essen würde.
    Er unterdrückte einen Seufzer und besah sich seine einstige Zukünftige. Mary Templeton war wirklich überaus reizend. Dunkel glänzendes Haar, strahlend blaue Augen, ein frischer, milchig weiß schimmernder Teint und hübsche dralle Brüste. Worauf ich mich schon richtig gefreut habe, dachte Jasper mit einem gewissen Verdruss, während seine frisch Verflossene in heller Erregung die Sakristei durchmaß.
    „Oh, Julius!", verkündete Miss Templeton und reckte die molligen Arme. Wirklich schade, dass die Sakristei so wenig Raum bot. Ihr theatralisches Temperament bedurfte einer großen Bühne. „Wenn ich dich nur nicht so sehr liebte!"
    Jasper blinzelte und beugte sich vor. Irgendetwas musste er hier verpasst haben, denn er kannte keinen Julius. „Ähem", räusperte er sich. „Wer ist Julius?"
    Sie drehte sich um und riss ihre himmelblauen Augen weit auf. Ziemlich schöne Augen, wenn er es recht bedachte. „Julius Fernwood, der Pfarrer des Dorfes nahe Papas Landsitz."
    Sie ließ ihn wegen eines Dorfpfarrers sitzen?
    „Oh, könnten Sie seine sanften braunen Augen sehen, sein buttergelbes Haar, sein ernstes, würdevolles Gebaren, würden Sie genauso empfinden wie ich!"
    Jasper hob eine Braue. Das wagte er zu bezweifeln.
    „Ich liebe ihn, Mylord! Ich liebe ihn mit all der Macht meiner einfältigen Seele.”
    In beängstigender Manier sank sie vor ihm auf die Knie, hob ihm ihr hübsches, tränennasses Gesicht entgegen und faltete die zarten weißen Hände vor ihren drallen Brüsten. „Bitte. Bitte! Ich flehe Sie an, befreien Sie mich von diesem grausamen Band! Geben Sie mir meine Flügel zurück, damit ich zu meiner einzig wahren Liebe fliegen kann, der Liebe, die ich stets in meinem Herzen tragen werde, selbst wenn man mich nötigte, Sie zu heiraten, wenn man mich in Ihre Arme drängte, gezwungen, Ihre animalischen Gelüste zu erdulden, mich grausamst ..."
    „Ja, ja, schon gut", fuhr Jasper
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