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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Autoren: Alexander Moszkowski
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durften; als sie noch international waren und sich die Fäden der Gastlichkeit zwischen den Lebensfesten der Kulturländer spannen. Diese Worte bedeuten nicht bloß, sie erzählen auch und wecken Erinnerungen. Es sind Illusionsworte, die man aus ihrer fremdländischen Schale ganz bequem herauskratzen kann wie Austern, und die weiter nichts verlieren, als ihr bißchen Illusion, wenn man sie in der großen völkischen Terrine gebrauchsfertig aufträgt.
    Es geht natürlich auch so, und die Sauce Béarnaise könnte als Eiertunke ebensogut in Chemnitz erfunden worden sein, als in Béarn. Bleiben wir also streng bei der Sache und lassen wir alle schweifenden Gefühlsverbindungen beiseite. Ganz gewiß, der Mensch braucht nicht zu soupieren, und er bleibt sogar etymologisch im Richtigen, wenn er statt dessen einfach »suppt«. Zudem ist bei so vielen Eßwerken der Sprachweg so klar vorgezeichnet. Das welsche Beefsteak wird durch das kerndeutsche Biefstück ersetzt, ein Cake durch Kek oder Kehk, wenn wir Pralinen sagen, so stehen wir treu auf der Scholle und dürfen den, der noch von Pralinées spricht, als nicht ganz wurzelecht betrachten. Wir hatten einst in Berlin ein doppelsprachiges Restaurant, dessen Karte a broiled chicken mit: »ein gebroiltes Tschicken« übersetzte. Auch dieser Weg ist gangbar. Wer die Omelette soufflée durch Schaum-Eierkuchen ersetzt, kann von jeder Köchin eines Fehlers beschuldigt werden; warum also nicht ein gesuffeltes Omlett? oder ein Wollowang? Da sähe man doch wenigstens den guten Willen, wie man ihn sah, als sich der fremdländische Autoomnibus in Autobus und der Kinematograph in einen Kientopp verwandelte.
    Ich widerstehe der Versuchung, diese Betrachtungen auf das Gebiet der Bekleidungsstoffe, der Juwelierarbeit, der Konfektion, der Parfümerie (Duftei) auszudehnen. Jedermann weiß, wie kräftig die Illusionstöter hier schon gearbeitet haben und wie emsig sie dabei sind, ihr Werk zu vollenden. Herunter mit dem Toiletten-Crême, der doch nichts anderes ist als eine täuschende Hautwichse, und daß sich keiner mehr unterstehe, an frivole Dessous zu denken, wo in echter Wirklichkeit nichts anderes vorhanden als Unterwäsche und braver Flanell. Aber wohin soll das arme Illusionswort flüchten, wenn man ihm nicht einmal in solchen, auf Illusion gestellten Betrieben einen Unterschlupf gönnen will?
    Wer durchaus nicht von der Wirklichkeitslinie abweichen will, nur Kerne kennt, nicht Schalen, der könnte sich überhaupt gegen die Namensgebung auflehnen bei leblosen Dingen, die eigentlich keine Namen brauchen. Ehedem wurden die deutschen Lokomotiven personifiziert, man saß im Zuge, während vorn eine Marie oder Mathilde, ein Bismarck oder Camphausen fauchte. Diese Nachwehen einer Spätromantik sind längst überwunden, wir fahren mit dampfenden Nummern. So wäre auch eine rechtwinklig gebaute Stadt mit Straßen und Häuserblocks, die nach Ziffern und Buchstaben benannt werden, das Ideal einer städtischen Anlage; denn auch die Illusionslosigkeit strebt nach einem Ideal, nach dem einfachen Koordinatensystem, wie es bereits in einem Teil von New-York und von Mannheim verwirklicht ist. Gleichwohl tragen unsere Straßen fast ausnahmslos noch persönliche Bezeichnungen, auf die sie getauft wurden, passend oder unpassend. Und der Name mag so deutsch sein, wie nur immer, hinsichtlich der Straße bleibt er ein Fremdwort, da eine eindeutige Beziehung zwischen dem Wort und dem Wortträger nicht besteht. Auf die fremdländischen Worte Bellealliance, Kolonie, Kommandant, Invaliden, Pallisade, Garde du Corps sind Berliner Straßen getauft; sie sind der Straße selbst nicht fremder und nicht näher als hunderte von Deutschworten und Deutschnamen; fast alle haben sie eine geschichtliche Begründung in Erinnerung, Anspielung, symbolistischer Verschmelzung, und die so tauften, handelten im Stande der Illusion mit Illusionsworten.
    Und im Grunde sind auch all die so übel beleumundeten Welschbezeichnungen in so vielen Betrieben Eigennamen, die irgendwie das Bild einer Persönlichkeit hervorlocken oder mit einem lockenden Begriff spielen. Wenn von zwei Herbergen in gleicher Lage und mit gleicher Leistung das eine Hotel Luxor heißt, das andere Gasthaus zur Stadt Meseritz, so wird das erste in seinen Anziehungskräften eine magnetische Einheit mehr besitzen; und es hat in diesem Falle keinen Sinn, dem Publikum zuzurufen: wählt völkisch! denn wer nur eine Reisetasche in der Hand hat, in dessen Horizont flimmert
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