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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Autoren: Alexander Moszkowski
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empfand also schon in der Vorsilbe einen Wert, der zwar nicht schulphilologisch, aber klangphilologisch seiner Empfindung entgegenkam. Dieser Wert erhöhte sich ihm durch den Tonfall des ganzen Wortes, wiederum durch den Jambus, der hier die Kraft eines Befehls gewinnt; Distánz, ich híer, – du dórt! Man übersetze Páthos der Distánz, wie man wolle, der Rhythmus kehrt nicht wieder. Aber auch der Rhythmus ist ein Begriff, und wenn dem Wortbildner gerade daran gelegen ist, diesen herauszubringen, so opfert er eine andere Begriffsklarheit, um dieser einen näherzukommen.
    Und wenn der Dichter-Philosoph ebensowenig eine »Deckung« von Wort und Begriff zu erreichen vermag, wie der simpelste Schulmeister, der seinen Schülern den Begriff Hauptwort oder Zeitwort klarmachen will, und wenn selbst neben den alten Sprachgespenstern neue auftauchen, so wollen wir doch den Wenigen dankbar sein, den prometheischen Naturen, die uns neue Illusionen verschaffen an Stelle der verblassenden. Wertvoller erscheint uns ihre Magie, als das hausbackne, vernunftlederne Handwerk der Schnellformer, die für jeden Begriff auf Bestellung das Wort prägen, ein Dutzend in der Woche, wenn's verlangt wird; und die niemals dahinterkommen werden, wo die wirkliche Sprachnot sitzt. Denn sie ahnen nichts von den molekularen Vorgängen in der Begriffswelt als von den eigentlichen Urhebern der Sprachnot. Diese hat immer bestanden und wird immer bestehen, im Kampf des schwachen Wortes mit dem unzählbaren Heer der Begriffe und Empfindungen; und sie macht dem Dichter und Denker, dem Sprachmeister, ganz andere Sorgen als dem mit zurechtgeschnittenen Wortlappen fleißig arbeitenden Flickschuster.

Abgebrochene Kristalle
    So viele Sprachen einer versteht, so viele Male ist er ein Mensch. Dieses schöne Wort des Kaisers Karl V. ist mit Vorsicht zu genießen. Mithridates von Pontos, der Große zubenannt, sprach die Sprachen von 22 ihm unterworfenen Völkern und mag ja wohl eine Vollnatur gewesen sein. Bei Giuseppe Mezzofanti, der am Ende seines Lebens 58 Sprachen beherrschte, regen sich die Zweifel. Er wird bei der Anstrengung, die er seinem Gedächtnis zumutete, kaum Zeit gefunden haben, 58 mal sein Menschentum zu entwickeln. Wir haben an unseren Gerichtshöfen vereidete Dolmetscher, die in mehr als einem Dutzend Sprachen sattelfest sitzen, und wir wissen anderseits, daß wirklich tiefe Gelehrte und Menschen von innerer Bedeutung nicht über ihre Muttersprache hinausgekommen sind. Jenes Wort wird vielleicht richtiger, wenn wir den Besitz des Griechischen fünffach, des Lateinischen zehnfach, beider Sprachen zusammen zwanzigfach bewerten. Karl V. selbst hat die Vorsicht gebraucht, seinen Satz lateinisch auszusprechen: Quot linguas quis callet, tot homines valet.
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    Von d'Alembert: »Es gibt keinen erhabenen Stil: der Gegenstand muß erhaben sein.«
    Das ist die notwendige, aber nicht die hinreichende Bedingung. Es kann einer über [einen] erhabenen Gegenstand elend schreiben, ja er ist gar nicht in der Lage, ihn in gutem Stil zu behandeln, wenn der erhabene Gegenstand ihm nicht gehört; wenn er ihn nur wählt, um darüber zu schreiben. Dagegen wird jeder Gegenstand, über den der Schreiber besonderes zu sagen hat, ihm allein angehöriges, zu einem erhabenen. Und dann ist der gute Stil nicht die Folge des Gedankens, sondern seine ganz selbstverständliche äußere Erscheinung.
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    Von Friedrich Vischer : »Eine Rede ist keine Schreibe.« Aber eine Schreibe verliert dadurch nicht an Wert, daß sie eine Rede ist; ja sie wird eigentlich um so besser, je mehr sie sich der Rede nähert. Wenn ihr die Schreibe prüfen wollt, so lest sie vor. Ist sie dem Hörerkreis überhaupt verständlich, so muß sie in lebendiger Stimme gewinnen, sonst taugt die Schreibe nicht viel.
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    Der Lehrmeister der Rhetorik, Quintilian , stellte den Grundsatz auf: In einer Rede müssen die schlechten Beweisgründe voran gestellt werden, damit die nachfolgenden guten desto stärker wirken. Cicero war der entgegengesetzten Meinung: die guten voran, die schlechten nachher!
    Aus diesem Widerstreit der Lehren haben einige Sprachvögte unserer Tage die Resultante gezogen: In ihren Anklagereden gegen die deutsche Prosa stellen sie einige schlechte Beweisgründe an den Anfang und einige andere schlechte Beweisgründe an den Schluß.
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    Von Fritz Mauthner : »Es gibt nicht zwei Menschen, die die gleiche Sprache reden. Gemeinsam ist die Muttersprache etwa wie der Horizont
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