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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Autoren: Alexander Moszkowski
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kein Schade. Wo ich aber Schaden befürchte in Belang der Deutlichkeit, bewahre ich säuberlich das Schulwort auf Latein oder Griechisch, wie es seit den weisen Alten die Wissenschaft gefestiget hat. Also ziehe ich meine eigene Straße.
    Pirkheimer: Auream mediocritatem, wobei nur zu reflektieren, ob nicht am letzten Ende auch das Resultat mediocris ausfallen könnt. Nicht etwan in der Sache und in disciplina. Wenn du ein Buch schreibst, so wird es gewißlich so herrlich, als wenn du ein Gemälde schaffest. Aber in Belang auf die Folgen deines Ausdrucks. Wie die Welt die Bilderstürmer erlebt hat, so künnt sie die Wortstürmer sehen hervorbrechen. Und so wird sie rufen: Meister Dürer hat den Anfang gemacht! Ihm nach, dem berühmten Dürer, durch die Bresche, so er in das Latein geschlagen! So wird sie sprechen, die breite Menge, wo wir Erwählten mit Kunst und Mühsal eben ein klassisch Fundament für alle Bildung nachweisen und befestigen.
    Paumgartner: Ich spreche schon heut also. Warum schreibet ihr, Dürer, Ausdrücke wie Perspektive und Proportion, nachdem ihr selber doch aufzeiget, daß sich Punkt und Quadrat auf gut deutsch bereitstellen lassen? Und sogar Parabel als Brennlinie, obzwar ich mir bei Parabel gar nichts vermag vorzustellen, und bei Brennlinie noch weniger.
    Dürer: Warum? Weil ich mir nit die Hände will binden, wenn ich der Schrift obliege. Die Sprache ist ein lebendig Geschöpf, nit festgewachsen wie Kohle und Erz im Gebürg, sondern mit Veränderlichkeiten begabt, und sie spähet, wie sie sich rege und bewege. Sie spricht zu mir anders in jeder Stunde; und nit so wie ein Schüler, welchen ich abfrage, sondern wie ein Meister, welcher mich lehret. Und ihre Hauptlehre ist: Zwänge mich nit und schnüre mich nit, ansonsten mit der Starrheit der Sprache auch die Starre der Gedanken beschlossen war. Und so gewiß ein Gedanke den andern gebiert, der sich losreißt von seinem Erzeuger, so verlangt er auch einen Ausdruck, der nit festgeschmiedet an den ersten und aufgenagelt mit Grammatik und Wortregel. So horche ich auf den Sinn des neuen Satzes, der aufsteigt in mir, und lasse ihm seine eignen Worte; er gibt sie mir , nit ich ihm. Warum diesmal so und andermal anders – ich weiß es nit. Wenn ich es künnt erklären, war ich klüger denn mein eigener Gedanke. Darum bin ich ein Künstler und vertraue auf mein Gefühl, welches mich mit richtiger Farbe versorgt beim Malen und mit richtigem Ausdruck beim Schreiben.
    Pirkheimer : Gefühl ist ein unzuverlässig Ding. Kann ein hilfreicher Gefährte sein für den Künstler und ein unweiser Ratgeber oder Irrwisch für den Autor in Wissenschaften. Unterscheide derohalben. Wo du in Wissenschaft arbeitest und die Fortsetzung schaffst über Aristoteles und Albertus Magnus, dürft dir kein Gefühl in die Quer kommen. Kommet dir aber, wo du volkstümlich sagen willst, was nur wissenschaftlich zu sagen möglich. Nehmen wir ein Exempel: Statt Ellipse sagest du fein Nürnbergisch: Eierlinie, und hast dabei die Empfindung, ein widerborstig Wort schmiegsam zu machen. Das Gefühl ist richtig, aber die Eierlinie ist falsch; denn einer Henne Geleg hat nur oberflächlich Ähnlichkeit mit einer Ellipse, ist nimmer elliptisch, und ein Regiomontanus müßte sagen: hier hat der Dürer meiner lieben Frau Mathematica einen Backenstreich versetzt. Item ein ander Exempel. In deinem Werk über Malerei sagest du: »Die Vergleichung Eins gegen dem Anderen das ist schön.« Verzeih, Albrecht, in solchen Worten ist Umstand und Ungeschick; denn du willst sagen: »Symmetrie« ist schön, und ich ließ mir eher die Zunge abreißen, als ich mich entschließ, ein so schön und edel Wort wie »Symmetrie« zu opfern.
    Dürer: Und wer sagt dir, Pirkheimer, daß ich opfere? daß ich nit vielmehr anmesse und anpasse mein Wort an den Gedanken? genau anpasse, wenn der Gedanke selbst nit künnt bestehn ohne Genauigkeit; und leichtlich , wenn der Gedanke mehr Meinung ist denn Lehrsatz, mehr Wegweiser denn Ziel, mehr Keim denn Frucht. Und weiterhin: es muß klingen , eine Abgestimmtheit muß sein zwischen den Worten; das eine Mal klinget das Fremdwort besser, das andere Mal aber gibt eine Übersetzung oder Umschreibung den besseren Klang; denn das einzeln Wort schwinget ja nit für sich, sondern im mehrstimmigen Chor mit seinen Nachbarn. Also ob ich sage Beschaffenheit oder Complexion, – abgemalt oder conterfeit, – Geschöpf oder Creatur, – Verhältnis oder Proporz, – das messe ich nit
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