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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Autoren: Alexander Moszkowski
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schon eine blasse Fata Morgana. Auf den Eisenbahnwagen der neuen Orientlinien steht »Mitropa«, mit Herleitung aus Mitteleuropa, mit Anspruch auf den Wert eines Eigennamens. Etwas Fremdländisches klingt an, und das ist des Namens Vorzug, denn das geflügelte Rad deutet auf Internationalität, auf eine Illusion, die über die geographische Heimat hinauswill. Heißt eine gewisse Eisspeise gut deutsch Fürst Pückler, so laßt ein Glas Champagner auf spanisch oder englisch-falstaffisch Sekt, einen geschliffenen Stein Brillant, einen Ring Marquis, eine wippende Hutfeder Pleureuse heißen. Die Worte sind zum geringen Teil eingedeutscht, zum größeren würden sie eingebürgert erscheinen, wenn wir ein Lexikon der Illusion besäßen. Schreibt meinethalben Plöröse, wenn euch das glücklich macht, aber jagt das hübsche und unübersetzbare Anspielungswort nicht von Amtswegen zum Teufel. Laßt auch dem großen Illusionsreich des Titel- und Ordenswesens seine erworbenen Rechte und denkt daran, daß der scharfsinnigste aller Zweifler, Schopenhauer, den Wert dieser Illusion anerkannte. Ersetzt mir den Rector magnificus nicht durch einen prächtigen Leiter, nicht die Exzellenz durch Seine Ausgezeichnet, nicht den historischen Pour le mérite durch ein Verdienstkreuz. Die Welt hängt nicht an diesen Ausdrücken, aber die Ausdrücke hängen an einer unsichtbaren Begleiterin, an der Fee Illusion, die sich in allen Sprachen verständlich macht, obschon sie keine einzige fehlerlos beherrscht. »Die Natur freut sich an der Illusion. Wer diese in sich und anderen zerstört, den straft sie als der strengste Tyrann.« Ein Phantast mag das gesagt haben, ein Wolkenkukuksheimer. Er hieß Goethe.

Ausklang
Albrecht Dürer als Sprachmeister (In Form einer freigestalteten Unterhaltung)
    Dürer: Und hiermit, viellieber Freund Pirkheimer, lege ich mein fertig Werk in deine Hände, dir zugeeignet zu freundlich Dienst und Gedenken. Wird ein nützlich Buch sein, verhoffe ich.
    Pirkheimer: Aber nit fast leicht zu lesen. Hab hie und da etwelche Schwierigkeit gehabt: »Zu Nutz allen Kunstliebhabenden mit zugehörigen Figuren« stehet darauf und dabei die Vermahnung, es gebe in Deutschland recht viele sonst geschickte Maler, welche doch mancherlei ganz falsch zeichneten, auch ihre Schüler es so machen lehrten, als wenn sie Wohlgefallen an ihrem Irrtum hätten; während doch die alleinige Ursache sey, daß sie die Kunst der Messung nicht gelernt hätten, ohne welche kein rechter Werkmann werden könne.
    Dürer: Derohalben ist das Buch eine Unterweisung der Messung mit dem Zirckel und Richtscheydt geworden, in dem Gedanken, der perspektivischen Zeichnung eine mathematische Vorschrift zugrunde zu legen.
    Sixtus Paumgartner : Mir zu gelahrt, Herr Dürer. Hab mich darin umgetan, als ich die Blätter in der Druckwerkstatt liegen sah. Freund Pirkheimer, unser gewaltig Ratsherr, mag ja etwelches davon begreifen und verstehen, der liest doch sogar den Plinius und den Vitruvius in der Lateinschrift. Für einen ehrsamen Kleinbürger ist das zu schwer, und für unsere Maler wird es auch zu hoch seyn. Saget, werter Dürer, warum brauchet ihr so viel fremdländische Worte und Ausdrücke, ihr, ein teutscher Künstler?
    Pirkheimer: Und ich hinwiederum frage hingegen anders, lieber Albrecht; wessentwegen bekennst du dich nicht mit Entschiedenheit zu den strengen Worten der Wissenschaft? Zur Hälfte läßt du sie stehen, und zur Hälfte versuchst du eine Verdeutschung . Du bildest gleichsam deutsche Ausdrücke, so man nie zuvor vernommen; fremdartig muten sie an, weil sie nicht klingen wie eingewachsen in das Gefüge, sondern wie künstlich hergerichtet. Also frage ich dich, Meister Albrecht, gedenkest du der klassischen Ausdrucksweise Fehde anzusagen?
    Dürer: Wenn ich eure zwo Fragen in eins zusammenhalte, so paaren sie sich und erzeugen die Antwort. Dir, Pirkheimer, bin ich nit klassisch genug, euch, Sixtus Paumgartner, nit deutsch genug, woraus zu schließen, daß ich das Richtige möge getroffen haben. Gewißlich ist eine Absicht in meinem Beginnen. Ich forme neue deutsche Worte und denke mir, es könnten noch mehre geformet werden. Statt Quadrat schreibe ich »eyn gefierte Ebne«, statt Cylinder erfinde ich »eyn bogen Ebne«, für sphärisch sage ich »kugelet«, für Punkt »eyn Tupf«, für Parallele »eyn barlini«, für Ellipse »Eierlini«, für Parabel »Brennlini«, für Hyperbel »Gabellini«. Ein jeglicher versteht's, und der Darstellung geschieht
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