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Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Autoren: Simon Beaurfort
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wirklich zu viel verlangt war, dass sein Vater und der Schreiber gemeinsam zumindest seinen Namen richtig buchstabierten. Hugo prustete vor Lachen.
    Â»Was gibt es Neues aus dem Land der Schafe und des Regens?«, wollte er wissen. Seine Augen leuchteten vor Vergnügen. »Sind die Mutterschafe reif zum Decken? Machen sich die Schnecken immer noch über die Kohlköpfe her? Jammert deine Mutter weiterhin, dass du es nicht zum Priester gebracht hast?«
    Â»Meine Brüder lassen mich grüßen«, sagte Geoffrey und drehte den Brief im Feuerschein hin und her, um den krakeligen Text zu lesen.
    Â»Das will ich auch hoffen!«, rief Hugo aus. »Denen hast du einen großen Gefallen getan, als du dich mit zwölf Jahren nach Frankreich hast verfrachten lassen und in den Dienst des Herzogs der Normandie getreten bist! Wärst du in England geblieben, müssten deine habgierigen Brüder stets befürchten, dass du ihnen ihr armseliges Erbe streitig machst.«
    Geoffrey warf Hugo einen weiteren unfreundlichen Blick zu, doch er wusste, dass sein Freund die Wahrheit sprach. Geoffreys Mutter hatte sich in den Kopf gesetzt, dass der jüngste ihrer vier Söhne Mönch werden sollte. Doch obwohl Geoffrey die Gelehrsamkeit durchaus zu schätzen wusste, erwies er sich als vollkommen ungeeignet für ein Leben in mönchischer Demut. Mit zwölf Jahren war Geoffrey größer, kräftiger und deutlich klüger als seine älteren Brüder, und als sein Vater das bemerkte, schaffte er ihn in aller Eile nach Frankreich, wo er zum Ritter ausgebildet werden sollte.
    Das hatte den zweifachen Vorteil, Geoffrey einerseits ein Auskommen zu verschaffen und ihn andererseits von zu Hause fern zu halten. Drei Söhne, die sich ständig über die mögliche Aufteilung des Rittergutes von Goodrich stritten, waren Geoffreys Vater mehr als genug. Er war erleichtert, den vierten Sohn aus dem Haus zu haben.
    Â»Meine Schwägerin ist gestorben«, berichtete Geoffrey weiter und spähte auf den Brief. »Aber Vater schreibt nicht, welche. Und der schwarze Bulle, den sie Baron nannten, ist ebenfalls von dieser Welt abgetreten …«
    Hugo brach wieder in Gelächter aus. »Deine Familie ist unbezahlbar! Sie nennen den Bullen beim Namen, erweisen deiner Schwägerin aber nicht diese Höflichkeit! Du musst deinem Vater wirklich von Herzen dankbar sein, dass er dich in die Normandie geschickt hat, mein Freund. Sonst wärst du wie deine Brüder geworden, gierig, unbedeutend und nur das Vieh im Kopf.«
    Â»Ich wollte kein Ritter werden«, sagte Geoffrey, blickte von dem Brief auf und sah, wie die Belustigung aus Hugos Gesicht verschwand. »Ich wollte nach Paris und dort studieren. Einige Male bin ich dem Herzog der Normandie weggelaufen, doch sie haben mich immer wieder eingefangen und zurückgebracht.«
    Â»Du wolltest ein Gelehrter werden?«, fragte Hugo. Er schüttelte den Kopf und lächelte nachsichtig. »Du würdest also lieber in einer schäbigen Domschule leben und weinerlichen Jünglingen Aristoteles eintrichtern, als das frohe Leben eines Kreuzritters zu führen?«
    Geoffrey bedachte ihn mit einem schiefen Blick und sah sich im Zimmer um. »Und wo läge der Unterschied? Eine schäbige und zudem überfüllte Unterkunft habe ich hier auch, und unter meinen Leuten gibt es einige, die zumindest heimwehkrank und mitunter zimperlich sind. Und, ja, lieber würde ich sie den Aristoteles lehren, als ihnen zu erklären, wie man einen Hinterhalt legt. Zumindest müsste ich in Paris niemanden umbringen …«
    Â»Unfug!«, rief Hugo aus. »Es gibt nichts Gefährlicheres als einen Gelehrten, und die Straßen von Paris sind sogar noch tückischer als die Jerusalems. Doch das sind leichtsinnige Worte, Geoffrey. Was würden deine Kameraden denken, wenn sie von deinen Skrupeln erführen?«
    Geoffrey zuckte die Achseln. »Ihre Meinung ist mir gleichgültig. Seit ich in Antiochia lieber Bücher als Gold mitnahm, betrachten die meisten Ritter mich ohnehin mit tiefem Misstrauen. Dabei ist ihnen niemals in den Sinn gekommen, dass diese Texte ihr zehnfaches Gewicht in Gold wert sind, ganz abgesehen von dem Wissen darin.«
    Â»Ich habe mich schon häufig gefragt, was du überhaupt auf dem Kreuzzug wolltest, wo du so wenig für das Töten und Plündern übrig hast. Dir muss doch klar gewesen sein, wie ein solches
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