Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Autoren: Simon Beaurfort
Vom Netzwerk:
dass er ihn hörte. Dann brach das Chaos aus. Schreie und Geheul ertönten, untermalt vom erschreckten Wiehern der Schlachtrösser, als die Ordensritter vom Spital des Heiligen Johannes in den Pöbel preschten. Geoffrey riss schützend die Hände über den Kopf. Wieder versuchte er aufzustehen, wurde aber von einem Mann umgerannt, der vor den wirbelnden Schwertern und Streitäxten der Johanniter floh.
    Es war so rasch zu Ende, wie es begonnen hatte. Der Tumult legte sich. Geoffrey spürte, wie ihn jemand hinten am Wappenrock packte und auf die Füße zerrte. Staubbedeckt, verdreckt und gedemütigt, wie er sich fühlte, war er wenig erfreut, sich Auge in Auge mit Edouard de Courrances
wieder zu finden – dem Mann, den Geoffrey am meisten von allen verabscheute. Courrances war ein Vertrauter des Vogts, also Gottfrieds von Bouillon, der im vergangenen Jahr zum Herrscher Jerusalems gewählt worden war.
    Â»Meine Leute?«, stieß Geoffrey hervor und spähte durch die langsam niedersinkenden Staubwolken, um zu sehen, ob jemand verletzt war.
    Â»Fortgerannt, wie ihr Anführer befohlen hat«, antwortete Courrances gleichmütig und schob das Schwert zurück in die Scheide. »Ihr habt Glück gehabt, dass wir zufällig des Weges kamen. Andernfalls würdet Ihr jetzt nicht mehr leben und wäret der Sorge um Euren zusammengewürfelten Haufen enthoben.«
    Geoffrey schwieg. Es wurmte ihn, dass von allen Menschen ausgerechnet Courrances Zeuge des schimpflichen Geplänkels geworden war und ihn gerettet hatte. Die Johanniter unterhielten in Jerusalem das große Hospital für hilfsbedürftige Pilger, doch vor einiger Zeit hatten manche der Mönche ihrer friedlichen Gesinnung entsagt und zu den Waffen gegriffen, um sich selbst und ihr Eigentum zu schützen. Courrances trug über dem Mönchshabit einen schwarzen Wappenrock, geschmückt mit einem weißen Kreuz auf dem Rücken, und zumeist schleppte er eine ganze Waffenkammer mit sich herum. Ungefähr zehn gleichartig gekleidete Ordensritter begleiteten ihn. Sie saßen auf stämmigen Schlachtrössern und waren bis an die Zähne bewaffnet.
    Geoffrey schaute über Courrances’ Schulter und sah, dass einige aus der Menge tot oder verletzt dalagen und von Freunden und Verwandten davongetragen wurden. Einer von ihnen war der Junge, der versucht hatte, Melisende das Messer in die Hand zu drücken. Die Johanniter saßen aufrecht auf ihren unruhigen Pferden, die Waffen noch blankgezogen und zweifellos auf einen weiteren Kampf aus. Die Stadtbewohner brachten ihre Toten weg und stahlen sich davon, mit Angst und Hass in den Augen.
    Â»Diese Leute waren unbewaffnet«, protestierte Geoffrey und wandte sich verärgert Courrances zu. »Wir sollen hier für Ruhe sorgen und keine Leute abschlachten!«
    Â»Oh, schön gesagt, Herr Geoffrey«, erwiderte Courrances
mit enervierender Gemütsruhe. »Vielleicht wäre es Euch lieber gewesen, ich hätte in Ruhe zugesehen, wie sie Euch umbringen? Und lasst uns doch ehrlich bleiben: Ihr hattet den Aufruhr bereits angefacht, lange bevor wir hier auftauchten. Also gebt mir nicht die Schuld für diese Toten. Wenn hier einer Schuld hat, dann Ihr.«
    Geoffrey machte ein finsteres Gesicht, denn Courrances hatte Recht. Er hätte Melisende freilassen und später wieder Krieger herschicken sollen, wenn keine Menschenmenge mehr versammelt war und Zeuge der Festnahme wurde.
    Â»John von Sourdeval wurde ermordet.« Geoffrey wechselte das Thema und blinzelte gegen die Sonne, um Courrances ins Auge zu fassen. Er beobachtete mit einer gewissen Befriedigung, wie der Ordensritter erbleichte. »Er wurde hinterrücks erstochen. Kam Guido von Rimini nicht vor drei Wochen auf dieselbe Art ums Leben?«
    Â»Der zweite Mord an einem Ritter?«, fragte Courrances leise. Er trommelte mit seinen langen, gepflegten Fingern auf den Sattelknauf. »Dies sind wirklich bedenkliche Neuigkeiten.«
    Â»Habt Ihr Guidos Leiche gesehen?«, erkundigte sich Geoffrey. Er beobachtete, wie sich seine Leute unter Helbyes Befehlen auf der gegenüberliegenden Straßenseite neu formierten. Fletcher hielt noch immer Melisende fest, und der Tote lag in der Decke auf dem Karren. Der Feigenhändler aber war nirgendwo zu sehen. Er tat Geoffrey Leid, denn der Wagen stellte vermutlich seinen einzigen Besitz dar. Der Verlust würde ernste Folgen für ihn haben.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher