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Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Das Geheimnis der Heiligen Stadt

Titel: Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Autoren: Simon Beaurfort
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das Hemd auf und schaute auf die einzelne Stichwunde, die John getötet hatte. Die Verletzung war groß und konnte durchaus von dem gebogenen arabischen Dolch stammen, den Melisende auf der Straße umklammert hatte.
    Geoffrey hockte sich auf die Fersen und dachte nach. Ritter waren bei den Bürgern Jerusalems nicht gerade beliebt, wo sie doch das Blutbad nach dem Fall der Stadt angerichtet hatten. Doch während es viele Ritter gab, die mit der Zahl ihrer Opfer prahlten, hatte John so etwas nie getan. Außerdem lag das Gemetzel bereits ein Jahr zurück, und wenn Rache das Motiv war, hätte der Mörder wohl kaum bis heute gewartet.
    Geoffrey sah auf und begegnete Melisendes Blick. Sie starrte ihn aus großen, tränengefüllten Augen an. Ihre Hände waren mit Johns Blut befleckt, das entweder von dem Dolch stammte, den sie auf der Straße festgehalten hatte, oder von dem Mord herrührte.
    Â»Ich habe diesen Mann nicht umgebracht«, flüsterte sie. »Bitte glaubt mir.«
    Â»Was ich glaube, ist unerheblich«, sagte Geoffrey und versuchte herauszufinden, ob sie log. »Ich bin bloß ein Ritter. Ihr müsst den Vogt von Eurer Unschuld überzeugen. John war einer seiner Günstlinge.« Und außerdem war er mein Freund, fügte er in Gedanken hinzu. Er sah auf den leblosen Körper vor sich hinab.
    Â»Ich verstehe«, stellte Melisende schroff fest. »Ihr seid nur ein weiterer Normanne, der das Denken anderen überlässt – außer wenn es darum geht, uns zu unterdrücken. Zweifelsohne seid Ihr ein Niemand, ein mittelloser jüngster Sohn eines ebenso unbedeutenden Ritters, der glaubt, er könne in unserem Land ein Vermögen machen …«
    Geoffrey blickte ihr in die Augen, aber antwortete nicht, denn ihre Anschuldigungen entsprachen zumindest teilweise den Tatsachen. Er war der jüngste Sohn von Godric Mappestone, einem Ritter, der Wilhelm dem Eroberer 1066 nach England gefolgt war. Für seine Tapferkeit bei der Schlacht von Hastings hatte man Godric mit einem Rittergut nahe der walisischen Grenze belohnt. Doch anders als die meisten Männer in seiner Lage kümmerte Geoffrey sich wenig um sein Vermögen. Tatsächlich gab er sich wenig Mühe, Reichtümer anzuhäufen, und für gewöhnlich war er der Ansicht, dass Plünderungen mehr Ärger einbrachten, als sie wert waren.
    Geoffrey hatte sich dem Kreuzzug angeschlossen, um zu reisen. Glänzend gelaunt war er ausgezogen, erfüllt von Träumen über die gewaltigen Bibliotheken der arabischen Welt und von der Aussicht auf eine neue Kultur mit ihrer Philosophie und Literatur. Wissensdurst war allerdings kein Motiv, das die anderen Kreuzritter verstanden oder billigten, und Geoffrey wurde von Anfang an als komischer Kauz angesehen.
    John de Sourdeval hatte ihn verstanden. Er hatte mit dem gelehrten englischen Ritter lange Stunden der Erörterung arabischer Schriftwerke verbracht. Geoffreys Blick huschte zu Melisendes blutverschmierten Händen. Sagte sie die Wahrheit? Oder hatte sie seinen sanftmütigen und anständigen Freund ermordet?
    Er schüttelte ungeduldig den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit für Vermutungen, nicht, solange sich eine feindlich gesinnte Menschenmenge um seine erschöpften Männer zusammenrotten konnte. Geoffrey zerrte eine Decke von einem säuberlich gefalteten Stapel am Fenster, wickelte John hinein und befahl seinen Leuten, den Toten nach unten zu tragen. Hastig schaute er sich um, aber es gab sonst nichts in der kärglich eingerichteten Kammer, das ihm weitere Hinweise geben konnte. Die Treppe, die Geoffrey selbst benutzt hatte, war der einzige Weg in das Zimmer, und falls John irgendwelche Sachen bei sich getragen hatte, waren sie jetzt nicht mehr da.
    Geoffrey umklammerte wieder Melisendes Arm und führte sie aus dem Haus und auf die Straße. Sein erster Gedanke galt dem Dolch, den sie fortgeschleudert hatte. Doch der war spurlos verschwunden. Geoffrey musterte die Menschenmenge, und es überraschte ihn nicht. Der Dolch war eine gute Waffe gewesen, mit einem juwelenbesetzten Griff, der wertvoll aussah. Zweifellos würde er auf dem Markt einen ordentlichen Preis einbringen.
    Helbye schacherte mit einem schmuddeligen Feigenhändler um die Miete für dessen Handkarren, auf dem sie Johns Leiche in die Zitadelle am entgegengesetzten Ende der Stadt transportieren wollten. Der Vogt, militärischer Oberbefehlshaber von
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