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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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bewarfen ihn ein paar Jungen mit fauligem Gemüse. »Tanz mit Seilers Tochter, Fettwanst«, schrie eine Frau, und die Umherstehenden jubelten.
    Christian und Lukas sahen mit unbewegten Gesichtern auf das widerliche Schauspiel, das Hartwig bot.
    Marthe wandte den Blick von dem Feisten ab, der einst so grausam über sie und ihre Freunde geherrscht hatte und nun nur noch ein wimmernder Haufen Elend war. Jeder von ihren Freunden, über den Randolf und Hartwig zu Unrecht grausame Strafen verhängt hatten, hatte sein Schicksal mit mehr Mut und Würde ertragen.
    Als lauter Jubel der aufgeregten Menschenmasse den Sturz des Delinquenten verkündete, sah sie, wie Emma nach Jonas’ Hand griff. Er zog sie an sich und legte eine Hand auf ihre Schulter.
    Es dauerte lange, bis Hartwig endlich seinen letzten verzweifelten Atemzug tat. Während sich die von dem Spektakel begeisterteMenge allmählich zerstreute, gab Christian den Seinen das Zeichen zum Aufbruch ins Dorf.
     
    »Wir freuen uns mit Euch!«, versicherte Hildebrand Christian, während Griseldis ängstlich Marthe im Auge behielt.
    Der Ritter musterte den Ältesten kühl und rief dann den Dorfbewohnern zu: »Danke für das Willkommen. Steht auf. Wir werden nachher unter der Dorflinde beraten, was zu tun ist, um den Schaden wieder gutzumachen, den das Dorf und auch Einzelne von euch erlitten haben. Aber zuerst will ich die gefangenen Reisigen sehen. Sie sind doch noch in eurer Obhut?«
    »Selbstverständlich«, meinte Karl, der vorgetreten war. »Sie sind etwas abgemagert und reißen auch das Maul nicht mehr so weit auf wie früher, aber ansonsten werdet Ihr sie noch vollzählig im Loch vorfinden.«
    Er ging voran Richtung Herrenhof. Christian ritt durch den Bach, gefolgt von fast allen Dorfbewohnern.
    »Holt sie!«, befahl Christian.
    Waffenlos und an den Füßen aneinander gebunden, wankten die Männer heraus und sahen verunsichert auf Christian.
    »Markgraf Otto hat mir erlaubt, euch nach eigenem Willen für eure Schandtaten zu strafen«, sagte Christian laut.
    Während die Gefangenen beunruhigte und ängstliche Blicke wechselten, warteten die Dorfbewohner gespannt, was Christian entscheiden würde.
    »Eure Waffen und Pferde haben wir schon. Euer gesamtes Geld werdet ihr Bertha geben – als Wergeld für ihren Mann, bei dessen Ermordung ihr mitgeholfen habt«, befahl Christian, ohne auf Berthas unterdrückten Schrei und das zufriedene Gemurmel zu achten, das hinter ihm erklang.
    »Zieht eure Stiefel und Kleidung aus.«
    Erst zögernd, dann immer schneller kamen die Männer dem Befehl nach, bis sie nur noch in Unterhosen vor den versammelten Christiansdorfern standen, die mit anfeuernden Rufen nicht sparten.
    »Und jetzt verschwindet«, fuhr Christian gnadenlos fort.
    »Jeder von euch, den ich künftig näher als zwanzig Meilen von hier antreffe, ist des Todes. Und vergesst nicht: Die Dorfbewohner kennen eure hässlichen Gesichter gut, sie werden keinen von euch vergessen.«
    Unter dem befreienden Gelächter der Christiansdorfer stürzten die Reisigen barfuß und fast nackt davon.
     
    Zufrieden ritt Christian zurück, sattelte seinen Grauschimmel ab und brachte ihn in den alten Stall. Lukas war bereits dort und nahm Marthe gerade ihren Zelter ab.
    Zu dritt standen sie beieinander und wechselten für einen Augenblick stumme Blicke. Niemand musste etwas sagen.
    Jeder von ihnen dachte in diesem Moment daran, unter welchen Umständen sie zum letzten Mal hier gewesen waren, was seitdem geschehen war und was nun vor ihnen lag.
    Christian brach schließlich das Schweigen.
    »Beginnen wir’s?«
    Marthe und Lukas nickten in stummem Einverständnis. Sie setzten sich Richtung Dorflinde in Bewegung. Doch als Christian sah, dass Hiltrud mit ängstlichem Blick auf ihn zukam, bat er Lukas: »Rufst du die anderen zusammen?«
    Der junge Ritter ging weiter, während Christian und Marthe warteten, bis Hiltrud vor ihnen stand.
    Der Witwe des Verräters Kaspar standen Furcht und Scham ins Gesicht geschrieben. Mit zitternder Hand hielt sie Christian einige kleine Münzen entgegen. »Das ist Euer Anteil am Backen und Brauen, seit mir Hartwig das Geld nicht mehrwegnimmt«, sagte sie mit kaum hörbarer Stimme und gesenkten Lidern. Ihre ganze Gestalt war zusammengekrümmt, als erwarte sie Schläge.
    Christian hatte schon erfahren, dass Hiltrud nach Gretes Tod das Backen und Brauen übernommen hatte.
    »Dein Brot habe ich noch nicht gekostet, aber dein Bier ist gut«, sagte er freundlich.
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