Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
»Willst du nicht doch mitkommen in mein Dorf?«, hatte der Ritter ihr angeboten, nachdem die Alte sie beide umarmt und ihnen Glück gewünscht hatte. »Du könntest dir auf deine alten Tage etwas mehr Ruhe gönnen.«
    »Ruhe?«, hatte Josefa mit durchtriebenem Grinsen geantwortet. »Seit wann ist es je dort ruhig gewesen, wo du auftauchst?«
    Doch gleich wurde sie wieder ernst. Marthe bekam erneut das Gefühl, dass die Alte mehr ahnte oder wusste, als sie im Moment sagen wollte. »Später vielleicht, wenn es Gott gefällt, mich noch eine Weile leben zu lassen. Ich denke, es kommt eine Zeit, wo ihr mich im Dorf braucht.«
    Den Rest des Tages nutzte Christian, um nach tüchtigen Handwerkern zu suchen. Er hatte beschlossen, anstelle seines niedergebrannten Hauses ein steinernes Haus bauen zu lassen. Nach einem Gespräch mit dem Zunftmeister nahm er einen Steinmetz mit seinem Gesellen und einem Lehrling unter Vertrag. Von den Einkünften, die ihm nun in seinem Dorf zustanden, würde er sich das leisten können.
    Mit Arnulf einigte er sich, dass der ihm fürs Erste ein paar Reisige abkommandierte, bis er selbst welche anwerben konnte.
    Kurz darauf hatten er und Marthe noch eine unverhoffte Begegnung. Auf dem Markt, wo sie einige dringend benötigte Dinge besorgen wollten, trafen sie Hans und Friedrich, die bereits den dritten Tag das Korn feilboten, das sie aus Böhmen mitgebracht hatten, nachdem sie dort eine weitere Fuhre Salz abgeliefert hatten.
    »Unseren Glückwunsch, Herr Christian, und auch Euch, Dame Marthe«, begrüßte Friedrich sie und verneigte sich schwungvoll, bis ihn ein jäher Schmerz im Rücken innehalten ließ.
    »Ich sehe schon, Ihr braucht wieder meine Hilfe«, entgegnete Marthe besorgt, doch Friedrich fuhr beinahe erschrocken zurück. »Das geziemt sich nun nicht mehr, wo Ihr doch eine feine Dame geworden seid. In der ganzen Stadt erzählt man sich Geschichten darüber, welche außergewöhnliche Entscheidung Otto getroffen hat.«
    »Wir freuen uns mit Euch«, beeilte sich Hans zu ergänzen.
    »Vielleicht kommen wir doch ins Geschäft«, meinte Christianzum Erstaunen aller. »Dann kann ich Euch sogar regelmäßig den sachkundigen Händen meiner Frau überlassen. Was haltet Ihr davon, Euer Fuhrgeschäft in unser Dorf zu verlegen? Wenn der Ort weiter so schnell wächst, brauchen wir Fuhrleute, die Erz transportieren und heranschaffen, was wir selbst nicht anbauen oder herstellen können. So müsst Ihr Euch nicht mehr auf lange Reisen begeben.«
    Die Brüder wechselten erstaunte Blicke. »Wie viel Zeit haben wir, um uns zu entscheiden?«
    »Ihr zieht doch sicher morgen weiter Richtung Halle, nicht wahr? Reist gemeinsam mit uns und macht einen Umweg über das Dorf, dort werden wir Euch einen Teil des Getreides abkaufen. Ihr könnt auch schon einiges andere hinschaffen, was wir brauchen – gegen Bezahlung natürlich. Wenn Ihr Eure Geschäfte in Halle aufgebt, gibt es bereits eine ganze Liste von Dingen, die Ihr uns mitbringen könnt. Ihr habt mein Wort.«
    Wieder sahen sich Hans und Friedrich an und nickten sich kaum merklich zu.
    »Abgemacht«, meinte Friedrich.
     
    An dem Tag, an dem Hartwigs Hinrichtung angesetzt war, drängten sich die Menschen schon bei Sonnenaufgang, um es nicht zu verpassen, einmal einen feinen Herrn hängen zu sehen. So etwas gab es nicht alle Tage zu erleben. Wie Friedrich erzählt hatte, kursierten in Meißen inzwischen unzählige Geschichten darüber, was in Christiansdorf geschehen war.
    Geschäftstüchtige Wirte schenkten Bier aus, zwei dicke Frauen verkauften kleine gefüllte Brote und Honigküchlein und versuchten lautstark, sich gegenseitig die Kundschaft abspenstig zu machen. Ein paar Jungen prügelten sich um die bestenPlätze, selbst auf den Dächern der am nächsten stehenden Häuser hockten Schaulustige.
    Christian, Marthe und Lukas hielten sich zu Pferde etwas abseits. Sie wollten nicht als Beteiligte an der Geschichte erkannt werden. Emma und Jonas waren ebenfalls gekommen und standen neben ihnen.
    Ein lautes Johlen der Menge kündigte das Nahen des Verurteilten an. Hartwig wurde nicht auf dem Henkerskarren gebracht, sondern auf einem Brett mit dem Gesicht nach unten durch die Straßen geschleift.
    Er war zerschunden, schmutzig und besudelt, als ihn zwei Büttel von dem Brett herabzerrten und zum Galgen schleiften. Von seinen Lippen tropfte Speichel, er konnte sich nicht auf den Beinen halten, wimmerte und heulte.
    Während ein Gerichtsschreiber die Anklage verlas,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher