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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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Wände in silbernes Licht. Henry betrachtete das Silberlicht, bis seine Augen feucht wurden. Er blinzelte aber nicht. Er war zu wach, um zu blinzeln. Er fragte sich, ob es für ihn in diesem Sommer wohl eine Möglichkeit geben würde, Baseball zu spielen. Wobei er allerdings zunächst erst einmal werfen lernen müsste. Und er würde darauf achten müssen, dass ihm beim Lernen niemand zusah.
    Henry hoffte, dass es seinen Eltern gut ging. Er hoffte sogar, dass sie zurückkommen würden. Aber er dachte auch, dass es angenehm wäre, wenn sie erst gegen Ende des Sommers zurückkämen, kurz bevor er wieder zur Schule musste, oder wann immer die Baseballsaison endete.

    Henry dachte gerade an Baseball und den Truck seines Onkels und daran, wonach genau seine Tante bei der Begrüßung gerochen hatte, als über seinem Kopf etwas gegen die Wand schlug. Bevor er überhaupt gemerkt hatte, dass er vor Überraschung in die Höhe gesprungen war, landete Henry sanft wieder auf seinem Bett. Er zwang sich zu atmen, noch immer ohne zu blinzeln.
    »Ein Vogel«, sagte er laut. Er wollte nicht flüstern. »Eine Eule vielleicht oder eine Fledermaus oder so.«
    Henry zwang sich, die Augen zu schließen, und merkte nicht, wie sie wieder aufsprangen. Was immer es gewesen sein mochte, das da von außen gegen seine Wand geschlagen hatte, jetzt kratzte es. Oder er bildete sich ein, dass es das tat. Ganz sicher war er sich nicht. Doch, war er doch! Wieder ein Schlag, zwar nicht so laut, aber immer noch ein regelrechter Schlag.
    Henry setzte sich in seinem Bett auf und versuchte, normal zu atmen. Er stellte sich vor, wie riesige Fledermäuse gegen das Haus flogen und Ratten im Inneren der Wände umherhuschten. Nichts anderes als Tausende von Geräuschen in Tausenden von Nächten, sagte er sich. Dreh dich auf die Seite! Achte nicht darauf! Stattdessen stand er auf und ging die Treppe hinab. Er wollte ins Bad. Er wollte Wasser aufdrehen und die Toilettenspülung ziehen. Er wollte seine Gedanken mit normalen Geräuschen durchspülen.

    Als er den mondbeschienenen Dachboden verließ, war es, als stiege er in ein Loch, und die Treppenstufen knarzten ihn an, während er hinabging.
    Im Bad hatte jemand das Licht angelassen - ein heller Streifen am unteren Türrand leuchtete auf den Flurteppich. Als er die Tür erreichte, legte Henry die Hand auf die Klinke und erstarrte. Im Bad war bestimmt jemand drin! Es würde doch niemand das Licht anlassen und dann weggehen.
    Henry hasste es, anzuklopfen. Er hasste Unterhaltungen durch Badezimmertüren hindurch. Daher ließ er seine Hand sinken. Er wollte sich umdrehen, auf die Treppe setzen und warten. Er war noch keinen Schritt gegangen, als die Klinke gedrückt wurde. Henry hielt den Atem an, sprang zur Treppe und kauerte sich in die Dunkelheit.
    Ein alter Mann trat auf den Flur hinaus. Er war klein, hatte eine schimmernde Glatze und an den Seiten schütteres weißes Haar. Eine lange Tweedhose war bis zu den Knöcheln hochgekrempelt und ein Bademantel aus violettem Satin schlabberte um ein schmutzig weißes T-Shirt. Der Saum des Bademantels schleppte auf dem Boden und um die nackten Füße des Alten.
    Der Mann wischte sich mit einem Handtuch Rasiercreme vom Hals. Er zog geräuschvoll die Nase hoch und hob das Handtuch an sein Gesicht, während er auf die
Tür zu Großvaters Zimmer am Ende des Flurs zuging. Der violette Mantel schleifte wie eine Brautschleppe hinter ihm her. Bevor er die Tür berührte, sah er sich um. Seine tiefschwarzen Augen hefteten sich auf den in der Dunkelheit kauernden Henry.
     
    Henry blinzelte ein paarmal heftig, dann gähnte er und reckte die Arme über seinen Kopf. Jemand hatte das Licht im Bad angelassen, aber die Tür stand offen. Warum saß er auf der Treppe? Er wusste es nicht, aber er musste ins Bad.
    Nachdem er fertig war, eilte er die Treppe hinauf, zurück auf seinen Dachboden.
    Henry schlüpfte ins Bett, während seine Gedanken unablässig umherwanderten und nach etwas suchten, das ihm abhandengekommen war. Er wusste, dass er etwas vergessen hatte, konnte sich aber beim besten Willen nicht erinnern, was das gewesen sein sollte. Er war irgendwo anders und träumte von einem Spielfeld, auf dem er stand und wo er genau wusste, wie er den Ball zu werfen hatte. Und aus irgendeinem Grund sah ihm ein Mann in einem violetten Mantel dabei zu.

DRITTES KAPITEL
    H enry schlief sehr lange. Irgendwann wachte er aber doch auf, schälte sich aus dem Bett, zog seine Jeans und ein T-Shirt an
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