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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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11. EINE SACHE AUF LEBEN UND TOD
    Martin Thorn wusste längst, dass es O’Brien war – seit dem Moment, als er Harlems Straßen betreten hatte.
    »Erzählen Sie mir etwas Neues«, sagte er gelassen. Ref 369
    Der Inspector war nicht beeindruckt. »Haben Sie außer Ihrer Waffe noch etwas anderes bei sich?«
    »Ich habe ein Messer.«
    Hilfsbereit wollte Thorn nach einer Innentasche greifen, doch ein Detective packte seine Hände.
    »Lassen Sie es, wo es ist!«, bellte Inspector O’Brien.
    Neben dem Revolver Kaliber .32 fanden sich bei näherer Untersuchung von Thorns Taschen das Messer sowie sechs Dollar. Noch immer in ihrer Zivilkleidung brachten die »Arbeiter« – die Spitzenbeamten O’Brien, McCauley und Price sowie die fünf kräftigsten Männer der Sicherungstruppe, die das Revier zu bieten hatte – ihren Verdächtigen zur Hochbahnstation an der 125th Street/Ecke Eighth Avenue, um den nächsten Zug ins Zentrum zu nehmen. Ref 370 Ref 371
    Ref 372 Umstellt von Polizisten ließ Thorn die Fahrt stoisch über sich ergehen, die vorbei an mehr als einem Dutzend Stationen führte. Aus der erhöhten Bahn konnte er flüchtige Blicke in Manhattans Wohnungen im zweiten und dritten Stock erhaschen, Alltagsszenen zwischen Männern und Frauen, die sich einen gemütlichen Abend machten, Geschirr spülten oder Wäsche aufhängten. Sie erreichten die Houston Street/Ecke Bowery kurz nach zehn Uhr. Es war die nächstgelegene Haltestelle zum Präsidium und das Tor zu New Yorks Rechtssystem. Die Lichter des Gaiety Theater und die hoch aufragende Reklametafel des Juweliers Casperfeld & Cleveland konnten mitunter das Letzte sein, was ein Schuldiger vom Alltagsleben
zu sehen bekam. Auf den Straßen lärmte das Nachtleben, und um die stählernen Pfeiler der Station drängten sich Zeitungsjungen. HINRICHTUNG DURCH ELEKTRISCHEN STUHL, verkündete die Evening Post . Das war keine Prophezeiung, sondern lediglich das Schicksal eines Mannes aus White Plains, der seine Frau umgebracht hatte und sich nun die Titelseite mit den neuesten Nachrichten über Mrs Nack teilte. Ref 373
    Im Laufschritt scheuchten die Kriminalbeamten Thorn die Mulberry Street hinunter, so schnell, dass der letzte Polizist kaum Schritt halten konnte. Sie waren nicht unbemerkt geblieben. Jemand – entweder aus Spear’s Drug Store oder von einer der Hochbahnstationen – hatte dem New York Herald einen Tipp gegeben, dass die Polizei jemanden verhaftet hatte. Der Herald wiederum gab diese Information sofort an seinen Posten weiter, der rund um die Uhr gegenüber dem Polizeipräsidium Stellung hielt. Ein Reporter und ein Zeichner erwarteten die finster dreinblickenden Männer auf der Straße. Ref 374
    »Wen habt ihr da?«
    Schnell wurde Thorn, der in seiner neuen Kleidung und ohne Bart weiterhin unerkannt blieb, an ihnen vorbeigeschoben, durch die schwere Kellertür gestoßen und einen Flur hinuntergeführt. Die Journalisten sprangen hoch und konnten durch das Oberlicht gerade noch sehen, wie O’Brien und McCauley mit dem Gefangenen eine Treppe hinauf in Richtung des Büros des Inspectors verschwanden. »Wen habt ihr da?«
    Doch der Reporter wusste es längst.
    »Taschendiebe und andere kleine Langfinger werden nicht mitten in der Nacht aufs Polizeipräsidium gebracht, schwer bewacht und gefesselt«, bemerkte er trocken. Es gab nur einen Mann, der das sein konnte, und das Licht, das die ganze Nacht über in Inspector O’Briens Büro brannte, bestätigte diesen Verdacht.

    Thorn starrte in die Nacht hinaus. Seine Finger schmerzten von den Proben, die man für die gerichtsmedizinische Untersuchung von seinen Nägeln genommen hatte. Professor Witthaus war dafür persönlich herbeigeeilt. Obgleich fast zwei Wochen seit dem Mord vergangen waren, wollte niemand riskieren, auch nur eine einzige Spur nicht gesichert zu haben, und somit waren die Proben nun auf dem Weg ins Loomis Lab, um dort auf Blut- und Eingeweidespuren untersucht zu werden. Thorns restlicher Körper war außerdem penibel vermessen worden. Das Revier nutzte hierzu ein Karteikartensystem von Bertillon, bei dem jeder neue Verhaftete zunächst fotografiert und dann gemäß dem wundersamen anthropometrischen System von M. Alphonse Bertillon gewissenhaft vermessen wurde. Alles, von der Länge und Breite von Thorns rechtem Ohr über die Länge des linken Unterarmes bis hin zur Länge des linken Mittel- und des kleinen Fingers, wurde auf Karteikarten festgehalten. Lediglich Thorns Fingerabdrücke wurden nicht
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