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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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beendet war, lief der Junge erleichtert davon, und Howe erhob sich, um Officer James Moore ins Kreuzverhör
zu nehmen, jenen Polizisten, der als Erster am Fundort eingetroffen war.
    »Ein Teil der Brust war herausgeschnitten. Wie tief war die Wunde?«
    »Das kann ich nicht genau sagen«, antwortete der Polizist zurückhaltend.
    »Waren Knochen zersplittert?«, fragte Howe.
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Wie war der Kopf abgetrennt worden?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie war der Unterkörper abgetrennt worden?«
    »Auch das kann ich nicht sagen.«
    »Ist es nicht möglich«, folgerte Howe, »dass der Kopf von einem Fisch abgebissen wurde?« Gewiss gab es für alles, was die Jungen gefunden hatten, eine plausible Erklärung. Der Staatsanwalt war da um einiges skeptischer: Immerhin war es Fischen nicht möglich, Pakete zu schnüren und Knoten zu binden.
    »Wurde nicht ein Stück Strick in der Nähe des Wachstuchs am Pier gefunden?«, fragte der Staatsanwalt.
    »Ja«, antwortete der Polizist.
    »Ich erhebe Einspruch!«, donnerte Howe. »Das ist unerheblich. Es finden sich jede Menge Stricke rund um den Pier, richtig, Officer?«
    » Ich erhebe Einspruch«, bellte nun der Staatsanwalt zurück.
    »Bitte nicht«, sagte Howe und seufzte theatralisch, woraufhin sein Publikum in Gelächter ausbrach.
    Als Nächstes wurden Herbert Meyer und sein kleiner Bruder Edgar aufgerufen, um von dem Fund des zweiten Pakets in einem Waldstück in der Nähe des Harlem River zu berichten. Ein Schreiber des Telegram stellte trocken fest, dass der Jüngere der beiden, ein strohblonder Junge in einer Knickerbocker, »eine Stimme hatte, die in keinem Verhältnis zu seiner Größe stand«. Ref 672

    »Er ist ein guter kleiner Junge«, sagte Howe und schenkte den irritierten Geschworenen ein nachsichtiges Lächeln. Ref 673
    »War außer deinem Bruder und deinem Vater noch jemand anderes in dem Waldstück?«, fuhr der Staatsanwalt pflichtbewusst mit der Befragung des jüngeren Bruders fort. Ref 674
    »Ja«, entgegnete Edgar.
    Verteidigung und Staatsanwaltschaft sahen gleichermaßen überrascht auf. Das war ihnen neu. In ihrer kindlichen Logik hatten die beiden Meyer-Söhne nur erzählt, was man sie gefragt hatte, und diese konkrete Frage hatte ihnen vermutlich niemand gestellt. Martin Thorn, der unter dem Tisch ungeduldig mit dem Fuß gewippt hatte, erstarrte.
    »Ein Mann ist aus dem Gebüsch gesprungen«, plapperte Edgar eifrig weiter, »und hat mich nach Brombeeren gefragt. Er hat gesagt, sie wären nicht reif. Ich habe ihm gesagt, dass das Himbeeren sind und…«
    »Siehst du den Mann hier im Gerichtssaal?«, unterbrach ihn der Staatsanwalt.
    Edgar sah sich genau in dem Raum um, ließ seinen Blick mehrere Male hin und her schweifen, während die Zuschauer gespannt den Atem anhielten.
    »Nein, Sir«, sagte er schließlich.
    Martin Thorn atmete aus und gestattete seinem Fuß weiterzuwippen.
    Anschließend trat Officer Collins vom Brooklyn Navy Yard vor, um die Beine zu identifizieren, doch wirklich interessiert schienen die Zeitungsjournalisten erst, als ein ihnen bekannterer Polizeibeamter im Zeugenstand Platz nahm: der frisch beförderte Detective Sergeant Arthur Carey, der erste Mann, der sich auf die Suche nach dem Wachstuch begeben hatte. Carey kleidete sich gern flott: In seinem seidig glänzenden Gehrock, den er kess offen trug, war er der vermutlich einzige Zeuge, der den Schneid hatte, Verteidiger Howe modisch die Stirn zu bieten.

    Unbekümmert griff Carey nach dem dreckigen Wachstuch. Er hatte ein anderes Stück auf der Suche nach Stoffhändlern durch die gesamte Stadt getragen, daher ließ ihn das Beweismittel unbeeindruckt.
    »Was haben Sie anschließend mit dem Stück gemacht, das Sie einbehalten haben?«, fragte der Staatsanwalt.
    »Ich habe es mit dem anderen Stück im Leichenschauhaus verglichen«, erklärte Carey und wedelte mit dem Wachstuch herum. Ein leichenartiger Gestank ging von dem blutbefleckten Fetzen aus.
    Howe zuckte zusammen. »Bitte bewegen Sie es nicht mehr als nötig«, mahnte er von der Verteidigerbank aus. »Nehmen Sie Rücksicht auf unsere Gesundheit.«
    Richter Smith war ganz seiner Meinung. Die Luft war inzwischen derart schlecht, dass er die Mittagspause einläutete – zumindest für all jene, denen der Appetit noch nicht vergangen war. Magnus Larsen, dessen Platz sich direkt neben dem Tisch mit den Beweisstücken befand, wirkte schon ganz grün im Gesicht. Ref 675 Ref 676
     
    Der erste Zeuge am
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