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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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den sie unter dem Kinn mit einer großen Schleife festgebunden hatte, wirkte Maria ganz wie eine Lehrerin. »Ich begreife nicht, warum diese scheußlichen Stoffstücke so oft gezeigt werden mussten«, klagte sie dem Evening Journal . Es weckte Mitleid mit Thorn in ihr. »Jedes Mal, wenn sie hochgehalten
wurden, begann mein Herz wie wild zu pochen, und ich weiß, dass es ihm genauso ging.«
    Sich in Begleitung Maria Barberis in den Gerichtssaal zu setzen war eine billige Werbemasche von Manny, und die Botschaft bezüglich Mrs Nacks Fall war klar: Wenn ich es geschafft habe, Barberi freizubekommen, dann schaffe ich es auch bei Nack. Unbeeindruckt ging William F. Howe zu den beiden hinauf und taxierte seinen Anwaltskollegen Manny Friend.
    »Was machst du hier?«, fragte er ihn. Ref 690
    Es war eine gute Frage – und als er später am Abend die Antwort darauf erhielt, stellte das den gesamten Fall auf den Kopf.

18. GEFANGEN IM SCHEINWERFERLICHT
    Manny Friend fehlte an diesem Abend schlicht die Zeit für Dramen.
    Er hatte es versucht. Beschattet von Reportern war Mrs Nacks Anwalt mit der Long Island Rail Road zurück in die Stadt ins Harlem Opera House gefahren. Wind und Regen peitschten Friend und seinen Verfolgern ins Gesicht, als sie die 125th Street entlangschritten, vorbei an Hurtig & Seamon’s Varieté, und dann unter einer Markise mit der Aufschrift DAS WUNSCH-KIND verschwanden. Ref 691
    Es war ein Melodrama, das in Chinatown spielte – eine Tragödie um Ehre und Vergeltung –, doch als das Licht im Saal gedämpft wurde, kreisten Friends Gedanken einzig um die echte Vergeltungstragödie, die sich gerade noch vor seinen Augen im Gefängnis abgespielt hatte. Die Reporter draußen im reich verzierten Vestibül waren überrascht, als sie Friend entschlossenen Schrittes wieder aus dem Saal kommen sahen, noch bevor das Stück überhaupt richtig angefangen hatte. Mit seinem hochroten Kopf und den hektischen Bewegungen machte er ganz den Eindruck eines Mannes, der einfach keine Ruhe fand. »Ist es wahr?«, riefen sie und hefteten sich ihm gleich wieder an die Fersen. »Hat sie gestanden?« Ref 692 Ref 693
    Entgeistert blieb Friend in der Eingangshalle stehen. Bei genauerer Überlegung wunderte es ihn allerdings nicht: Die Gefängnisaufseher hatten natürlich den Mund nicht halten können.
    »Sie hat ein umfassendes Geständnis abgelegt«, stammelte Friend und fühlte sich dabei sichtlich unwohl. »Ich werde jetzt nach Hause gehen, mein Telefon ausstecken und weder irgendwen empfangen noch irgendwelche Fragen beantworten. Sie
hat ein umfassendes Geständnis abgelegt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    Binnen Minuten sprangen in der Newspaper Row Reporter von Times , Herald , Journal und World in Straßenbahnen, um von Captain O’Brien bis Sheriff Doht jeden aus dem Bett zu klingeln und Stellungnahmen zu verlangen. Als Reporter allerdings bei William F. Howe einfallen wollten, fanden sie sein Haus in der Boston Avenue dunkel und still vor: Er war nicht zu Hause. Ref 694 Ref 695 Ref 696
    Reporter des Herald wussten, wo er zu finden war. Als sie kurz darauf am Zimmer des Anwalts im Park Avenue Hotel eintrafen, war dieser noch in Schlafanzug und Nachtmütze. Howe hatte Freunde bei der Zeitung – ein Reporter stand angeblich sogar heimlich auf seiner Gehaltsliste –, die wussten, dass er während großer Fälle immer vom Park Avenue Hotel aus arbeitete. Das Luxushotel an der Ecke Thirty-Third Street war ein herrschaftliches Schloss mit blendend weiß gestrichener Gusseisenfassade, die nachts angeleuchtet wurde – und damit genau der Ort, an dem man William F. Howe zu residieren erwartete. Der hünenhafte Anwalt winkte die Reporter in seine Suite, dann ging er zu seinem Gepäck und zog einen Flachmann daraus hervor. Ref 697 Ref 698 Ref 699
    »Ja, ich habe es gehört«, sagte er seufzend. »Wir haben die Nachricht von Friend erhalten. Ich war im Bett, habe geschlafen – und von Thorns Freispruch geträumt –, als ein Page gegen die Tür hämmerte und mich weckte. Es besteht kein Zweifel. Schauen Sie hier.« Er reichte einem der Reporter eine Nachricht, die ihm ein Telefonist des Hotels aufs Zimmer hatte schicken lassen: Mrs Nack hat gestanden und wird als Zeugin der Anklage aussagen. Ref 700
    Ref 701 Es klopfte abermals an der Tür – diesmal war es ein Journalist der World , der seinen Konkurrenten nur Sekunden hinterherhinkte. Gerührt von seiner wachsenden Zuhörerschaft reichte
Howe den Flachmann herum, zündete
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