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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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sich am nächsten Abend wiederzutreffen, da ihm sofort klar war, was das zu bedeuten hatte. Ref 400
    Er hätte sein nächstes Opfer werden sollen.

IV.
DER PROZESS
    Bild 9
    »Thorn bestreitet, dass er Guldensuppe erschossen hat.« (New York Journal, 30. November 1897)

17. BLUTDURCHTRÄNKT
    Die zwölf Männer, die am nächsten Morgen aus einem Sonderzug der Long Island Rail Road ausstiegen, hatten allesamt gewöhnliche Berufe: Es waren drei Bauern, drei Austernfischer, ein Lebensmittelhändler, ein Saloonbesitzer, ein Hausmeister, ein Straßenbauer, ein Grundstücksmakler und ein Bodenwachser. Sie waren weder solch einen Wirbel gewohnt noch die Menschenmassen, die sich vor ihnen und ihrer Eskorte teilten, als sie auf das Gerichtsgebäude zugingen. Drinnen trotteten die Männer einen langen marmornen Flur entlang, an dessen Wand ein Warnschild des Sheriffs hing: Ref 652 Ref 653 Ref 654
    LAUTES SPRECHEN AUF DEN FLUREN
WÄHREND DER VERHANDLUNGEN VERBOTEN
Auf Anordnung von
Henry Doht, Sheriff
    Unter Führung ihres freundlichen, rundlichen Obmanns Jacob Bumstead schwiegen die Geschworenen pflichtbewusst – und erschöpft. Bis nach Mitternacht hatten die Bauern über Ernteprognosen gesprochen und sich um ihr Vieh gesorgt. »Wenn nur der gescheckten Kuh nichts passiert, solange ich weg bin«, sagte der eine seufzend. »Sie ist die beste Milchkuh weit und breit.« Die anderen hatten versucht, sich bei Zigarren und Apfelwein mit Kartenspielen von dem Fall abzulenken. Später zerbrachen sie sich die Köpfe über die neumodischen Lichtschalter in ihren Hotelzimmern. Ref 655 Ref 656
    Doch nun war es so weit.
    Die Ordnungskräfte stießen die Tür zum Gerichtssaal auf, und die zwölf Männer gingen hintereinander zur Geschworenenbank. Ihre Schritte hallten durch den fast leeren Raum.

    Schwerfällig ließ sich Bumstead an dem einen Ende der vorderen Reihe nieder, während Magnus Larsen, ein aus Norwegen stammender Straßenbauer mit recht gequältem Gesichtsausdruck, das andere Ende einnahm. Die Ruhe, die sie umgab, war nicht von langer Dauer: Ein Hausmeister fegte noch den Boden, da drängten schon die ersten Zuschauer durch die Galerietüren, in den Händen die kostbaren weißen Zettel mit der Aufschrift »ERSTER PROZESSTAG«. Während sich die oberen Galerien mit aufgeregt schnatternden Männern und Frauen füllten, betraten unten Staatsanwalt oungs und Strafverteidiger Howe die Arena, gefolgt von ihrer obligatorischen Reporterschar. Youngs schien sich noch immer ein wenig unwohl in seiner Haut zu fühlen – er hatte gerade erst einen Hautausschlag am Hals in den Griff bekommen –, wohingegen Howe mit seiner Schirmmütze auf dem Kopf das Ruder an seinem maßgefertigten Tisch übernahm, als würde er die Segel für einen Törn zu den Westindischen Inseln setzen. Die Reporter würdigten gebührend die Blume an Howes Revers – heute eine rosarote Rose –, dann nahmen sie Platz, wobei sie, wie auf einem Jahrmarkt, die Anzahl der Edelsteine schätzten, die er trug. »Etwa ein halbes Pintglas voller Diamanten«, gab ein Reporter der Times seinen Tipp ab. Ref 657 Ref 658 Ref 659 Ref 660 Ref 661
    Ref 662 Ref 663 Auch über andere Themen wurde spekuliert: Ein Mitarbeiter des Herald verfolgte genau den Verlauf der Wetten, die darauf abgeschlossen wurden, ob Thorn auf den elektrischen Stuhl kommen würde oder nicht. Doch davon wollte Howe nichts wissen. »Sie werden schon sehen. Martin Thorn wird ein freier Mann sein«, versicherte er den Reportern prahlerisch und klopfte seinem Mandanten auf die Schulter. Er machte sich keinerlei Sorgen, nicht einmal aufgrund eines anonymen Briefes mit der Warnung: Die Boulevardzeitungen haben einen Spitzel in der Jury sitzen . Nun, ein einziger Blick auf die Geschworenenbank genügte ihm, um diesen Verdacht auszuräumen. Dies
waren mitnichten Männer von Welt: Einer von ihnen hatte sich ein Taschentuch über seinen kahlen Kopf gebreitet, um sich vor der Zugluft im Gerichtssaal zu schützen. Ref 664
    Der Gerichtsdiener rief die Anwesenden zur Ruhe. Howe und Youngs gaben sich die Hand, und der Staatsanwalt ging unmittelbar zum Angriff über.
    »Dies ist eines der ungewöhnlichsten Verbrechen des Jahrhunderts«, begann er. »Eines der pressewirksamsten Verbrechen der Welt.« Ref 665
    Doch nun, sagte er, sei es Zeit, den Tatbestand zu untersuchen. » Irgendwann wurde irgendwo von irgendjemandem eine schreckliche Tragödie inszeniert«, begann er. »War es ein Kriminalstück? Und wenn ja, wer waren die
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