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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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mich nicht erinnern«, erwiderte Thorn misstrauisch. »Ich war an diesem Tag ziemlich betrunken.«
    »Erinnern Sie sich, gegen elf Uhr an diesem Abend zurück in Frey’s Saloon gegangen zu sein und mit Federer und Gordon bis fast ein Uhr morgens Binokel gespielt zu haben?«
    »Ja.«
    »Erinnern Sie sich, dass Sie den beiden sagten, dass Sie morgen Abend um diese Zeit auf dem Ozean sein würden?«
    Thorn blickte ihn überrascht an. »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    Das war auch nicht nötig; genug andere aus dem Saloon konnten es.
    Die Stunden krochen dahin. Um vier Uhr gestattete O’Brien seinem Gefangenen schließlich, auf einer Pritsche in seiner Gefängniszelle zusammenzubrechen. Thorn war kaum eingeschlafen, da wurde er schon wieder geweckt, erst, um vor einen Polizeirichter zu treten, dann, um sich zurück in O’Briens Büro zu schleppen. Der Inspector erwartete ihn bereits, scheinbar ungerührt von der frühen Stunde und aufgeputscht von dem schönen Tag, den das Detective Bureau soeben erlebte. Und er war nicht allein. Ref 383
    »Das ist er«, sagte Mrs Hafftner, als sie den unrasierten Gefangenen von oben bis unten musterte. »Das ist der Mann, der das Haus gemietet hat.« Ref 384
    Thorn schwieg. Ein Mann wurde hereingebracht.
    »Das ist er«, sagte der Bestattungshelfer. »Das ist der Mann, der die Kutsche abgeholt hat.«
    Nachdem die beiden hinausgeführt worden waren, richtete O’Brien seinen durchdringenden Blick wieder auf Thorn. »Sieht nicht gut aus, was?«, bemerkte er. Ref 385
    Martin Thorn fächelte sich mit seinem Filzhut Luft zu und überdachte die Lage.
    »Ich habe keine Angst vor dem Tod«, erwiderte er ruhig.

    »Schlagt ihn!«, brüllten sie durch den Zellenblock. Ref 386
    Thorn umfasste die Gitterstäbe seiner Gefängniszelle und blickte den Gang hinunter: Ein Mann in Fußfesseln wurde soeben von johlenden Detectives den Flur entlanggeschubst, -gestoßen und -gezerrt.
    Es war John Gotha.
    »Ich gehe da nicht rein!«, schrie er. Er sah erschöpft und abgezehrt aus. »Ich habe nichts getan, und ihr habt kein Recht, mich einzusperren!«
    »Geh weiter, geh weiter!«, brüllte ein Detective. »Zieht ihm eine mit dem Knüppel über!«
    Der Trupp zog weiter, und Thorn machte große Augen, als er seinen Freund mit den Beamten raufen sah. Er konnte ihr Geschrei und die Schläge den gesamten Weg bis in den nächsten Zellenblock hören, dann verschwanden sie außer Sichtweite. Die Polizisten schubsten Gotha unter dramatischem Stöhnen und mit ein paar abschließenden Schreien in eine leere Zelle, dann warteten sie einen Moment. Und dann huschte ein zufriedener Ausdruck über Gothas bleiche Miene.
    »Danke.«
    Die Detectives rollten mit den Augen. Die ganze hinterlistige Schau hatte einzig auf Gothas Drängen hin stattgefunden: Der schlaksige Friseur war noch immer zutiefst beleidigt, weil man ihn in Harlem nicht zusammen mit Thorn verhaftet hatte. »Das war Teil der Abmachung«, schimpfte er. Sie waren zu beschäftigt mit Thorn gewesen und hatten einen Gotha zurückgelassen, der sich wie bloßgestellt vorkam. Also bekam er nun, wie gewünscht, eine vorgetäuschte Verhaftung.
    Wenn sie Thorn kennen würden, wie er ihn kannte, erklärte Gotha, würden sie verstehen, warum er seine Rolle als Informant vertuschen wollte. Gotha machte sich große Sorgen, dass ihnen ihr Verdächtiger entwischen könnte oder dass sie ihn wieder laufen lassen würden, und er kannte Thorn zu
lange, um anzunehmen, dass ein Verrat ungesühnt bleiben würde.
    »Ich habe Thorn vor neun Jahren kennengelernt«, erinnerte er sich. »Wir wurden uns in einem Saloon vorgestellt, wo wir zusammen Karten spielten.« Ref 387
    Sie waren ein merkwürdiges Gespann am Spieltisch. Gotha war unmotiviert und schlaksig, so groß, dass seine Kollegen ihn »Lulatsch« nannten, und so erfolglos in seinem Beruf als Herrenfriseur, dass seine Frau zu ihren Eltern ins Kellergeschoss gezogen war. Thorn dagegen war gut aussehend und talentiert und schien ein Händchen bei Frauen und mit Geld zu haben. Verlief ein Kartenspiel jedoch nicht zu seinen Gunsten, kam Thorns hitziges Temperament zum Vorschein, und was die Mordanklage gegen seinen ehemaligen Binokelpartner betraf, so machte sich Gotha keine Illusionen. »Thorn«, bekannte er, »wäre zu solch einer Tat fähig.«
    Fürs Erste würde sein Freund über seinen Verrat im Ungewissen bleiben. Doch als Gotha aus seiner unberührten Gefängniszelle spazierte, konnte er sich vor den Reportern nicht
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