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Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts

Titel: Der Mord des Jahrhunderts - Collins, P: Mord des Jahrhunderts
Autoren: Paul Collins
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länger verstecken.
    Ref 388 Das Jefferson Market Courthouse glich weniger einem städtischen Gebäude als vielmehr einem deplatzierten gotischen Schloss, wie es mit seiner rot-hellbraun gestreiften Backsteinfassade über der Hochbahnstrecke an der Sixth Avenue thronte und in einem mit Zinnen versehenen Uhrturm gipfelte. Tief darunter schwang Tag und Nacht eine schwere Eisentür auf und nahm unablässig Gesindel auf, das, wie es ein Reporter formulierte, »alt – vorzeitig alt – und jung – erschreckend jung« war. An diesem Freitagmorgen fand dort eine Anhörung vor der Anklagejury statt, in deren Verlauf der stellvertretende Staatsanwalt eine Reihe von Zeugen – Mrs Riger, Frank Gartner sowie einen Neffen von Guldensuppe – durch ihre Aussagen
führte. Als schließlich John Gotha an der Reihe war, hielt er inne.
     
    Die schrecklichen Geheimnisse, die dem Mann anvertraut worden waren, hatten ihm Schlaf und Appetit geraubt. Reporter und Geschworene reckten die Hälse, als der gebeutelte Mann zum Zeugenstand geführt wurde. Martin Thorn war bei dieser Anklageprüfung nicht anwesend, doch das war nur ein kleiner Trost: John Gotha war fraglos ein getriebenes Wesen. »Er sah aus wie ein Mann auf dem Weg zum elektrischen Stuhl«, wunderte sich ein Reporter des Herald . Ref 389
    Sichtlich nach Fassung ringend erzählte der unglückselige Friseur, wie er vor gerade einmal drei Tagen mit Martin Thorn getrunken hatte. »Ich traf ihn in einem Saloon zwischen der 128th und 129th Street, auf der westlichen Seite der Eighth Avenue. Wir tranken ein paar Gläser zusammen, und ich sagte: ›Was du da mit dem Burschen gemacht hast, war ziemliche Stümperei.‹« Ref 390
    Schweigend hätte Thorn ihn eine ganze Minute lang angestarrt. »Ich weiß«, hatte er schließlich gesagt. »Hast du die Zeitungen gelesen? An allem ist nur das Weib schuld.«
    Gotha rang mit sich, als er sich die nächsten Worte seines Freundes in Erinnerung rief. »Ich sah ihn an, und er sagte: ›Du bist der einzige Freund, den ich habe, und ich werde dir alles erzählen. Ich erwarte, dass du den Mund hältst.‹
    Dann«, stammelte Gotha, »redete er über Guldensuppe und sagte, dass sie ihn loswerden wollten. Er sagte: ›Wir haben die Sache besprochen und entschieden, ihn umzubringen. Wir haben uns umgesehen und das Haus in Woodside gemietet. Wir dachten, es sei abgelegen genug, und entschieden, es am Freitag zu machen. Sie kaufte das Wachstuch in diesem Geschäft in Astoria, und ich besorgte bei Ehrich das Leinen.‹
    Thorn erzählte mir, dass er früh in dem Haus eingetroffen und dann nach oben gegangen sei, um dort auf Guldensuppe und
Mrs Nack zu warten, die ihn hinbringen wollte. Während er wartete, zog er sich bis auf das Unterhemd und die Socken aus. Er wollte nicht, dass seine Kleider Blutflecke bekamen. Gegen elf Uhr, sagte er, sah er Mrs Nack und Guldensuppe auf das Tor zukommen. Sie betraten das Haus.«
    Der Zeuge machte eine Pause; im vollbesetzten Gerichtssaal war es mucksmäuschenstill. Dann, fuhr Gotha fort, habe sich Thorn – in Unterwäsche und mit einem Revolver in der Hand – hinter einer Schranktür in einem der oberen Schlafzimmer versteckt. Unten konnte er die beiden reden hören. »Geh und sieh dir die Räume im oberen Stockwerk an«, hörte er Gussie zu ihrem Freund sagen. »Sie werden dir gefallen.« Thorn spannte den Hahn seiner Pistole.
    Er vernahm Guldensuppes schwere Schritte auf der Treppe. Er konnte seinen Nebenbuhler pfeifen und von Zimmer zu Zimmer laufen hören. Dann, als sich der Spalt in der angelehnten Tür verdunkelte, bewegten sich die Angeln der Schranktür.
    Er schoss ihm aus nächster Nähe ins Gesicht. Einen kurzen Moment schien der Masseur zu begreifen – er riss die Hände nach oben –, aber zu mehr reichte es nicht. Guldensuppe sank auf die Knie, dann kippte er rückwärts zu Boden.
    Gotha schluckte kräftig, und bei seinen nächsten Worten stockte den Geschworenen der Atem.
    » Er war nicht tot . Thorn schleifte ihn ins Bad und wuchtete ihn in die Badewanne.« Er schnitt ihm die Kehle durch, bis ein letzter Atemzug aus der Öffnung drang, die er ihm beigebracht hatte. »›Ich hörte ein Schnarchen ‹ , waren seine Worte.«
    Der stellvertretende Staatsanwalt unterbrach Gotha für eine wichtige Frage. »Sind Sie sicher« – er lehnte sich vor –, »dass Thorn sagte, Guldensuppe würde ›schnarchen‹ oder schnaufen, als die Klinge seine Kehle durchtrennte?«
    »Ja«, antwortete Gotha leise. »Er
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