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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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waren große rosafarbene Kreidewolken auf den Boden aufgemalt. Schnell kletterte er die nächsten
Sprossen empor und streckte seinen Kopf durch die Bodenluke ins Dachstübchen.
    »Holla, Henry!«, sagte Onkel Frank. Er saß an einem Schreibtisch, der mit allerlei Krempel zugemüllt war. »Hat dir die Klettertour Spaß gemacht?«
    »Und wie«, antwortete Henry heftig atmend. Er nahm die letzten Sprossen und stieg aus der Luke.
    Frank lächelte. »Es geht sogar noch weiter. Bis hinauf zum Taubenschlag. Wenn du magst, kannst du weiter raufklettern. Da oben gibt es ein kleines Fenster, das man öffnen kann, und ein Sims, das ganz allein den Tauben gehört. Aber sei vorsichtig! Wenn sie gerade noch dort waren, kann es glitschig sein. Vielleicht ist das der höchste Punkt von ganz Kansas - abgesehen von den anderen Scheunen und den Silos. Denn davon gibt es hier in der Gegend ein paar ganz schön hohe.«
    »Silos?«, fragte Henry und sah zum Taubenschlag empor. »Solche, in denen man Getreide aufbewahrt?«
    »Genau solche«, antwortete Frank. »Henry, ich muss mit dir reden. Deine Tante weiß nichts davon und ich will ihr vorerst auch nichts erzählen. Aber irgendjemandem muss ich mich anvertrauen - und da kommst du mir gerade recht.«
    »Worum geht’s denn?« Henry löste seinen Blick vom Taubenschlag und sah sich um. Auf ein altes Büfett, einen Schrank mit lauter Türen und Schubladen, hatte
Frank einen Computer gestellt. Der Monitor thronte mitten zwischen Bergen von Trödel, allerlei Figuren, kleinen Vasen und Werkzeugen. In einem Haufen konnte Henry den Griff eines Beils ausmachen und in einem anderen Haufen ein Modellschiff und eine kanadische Flagge.
    Frank lehnte sich in seinem Stuhl zurück und presste die Lippen zusammen. »Ich betreibe einen Internetladen und verkaufe Ware an Leute in der ganzen Welt. Das mache ich seit etwa zwei Monaten und heute habe ich das Geschäft meines Lebens abgeschlossen.« Er lachte auf. »Ich habe gerade zwei Steppenläufer für 1500 Dollar verkauft.«
    »Aber wer kauft denn Steppenläufer?«, fragte Henry. »Und noch dazu für so viel Geld?«
    Steppenläufer, das waren die vertrockneten Büsche, die in so gut wie jedem Westernfilm irgendwann als trockene Kugeln durch die Wüste rollten.
    Frank grinste und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ja, das ist viel Geld. Ich wäre schon mit zehn Dollar für beide zufrieden gewesen, aber ein paar japanische Geschäftsleute haben ihre Leidenschaft für Unkraut entdeckt und sich gegenseitig überboten. Und nun sitze ich als reicher Mann vor dir. 750 Dollar das Stück.«
    »Wow«, machte Henry. »Meinst du denn, dass die Typen wirklich bezahlen?«

    »Natürlich bezahlen sie.« Frank setzte sich auf und rutschte auf seinem Stuhl ein Stück nach vorn. »Hast du gerade was vor? Was hältst du davon, wenn wir in die Stadt fahren, ein Eis essen und dann Geld pflücken gehen? Lauf ins Haus und sag deiner Tante, dass wir unterwegs sind. Ich komme, sobald ich meinem neuen Kunden eine E-Mail geschrieben habe.«
     
    Dieses Mal fuhr Henry nicht auf der Ladefläche des Trucks. Er wurde zwischen der Tür und dem langen Knüppel der Gangschaltung hin und her geworfen. Und er war nicht angeschnallt! Zwar hatte er darauf gewartet, dass man ihn dazu aufforderte, aber allmählich beschlich ihn der Verdacht, dass dies nicht mehr geschehen würde.
    Henry kurbelte sein Fenster herunter, streckte seinen Arm heraus und hielt sein Gesicht in den Wind. Sie mussten ans andere Ende der Stadt, hatte sein Onkel gesagt. Darum hatten sie die Feldwege um die Stadt herum genommen, anstatt geradeaus hindurchzufahren. Zu Weihnachten hatte Henry von seinem Vater ein Buch über Stadtplanung geschenkt bekommen, daher betrachtete er diese Straßen als so etwas wie Umgehungsstraßen, eine Art Stadtring. Nur dieser Kies!, dachte Henry. Und nicht mal zweispurig!
    Er hörte auf, über Städte nachzudenken, und beobachtete,
wie die Stadt Henry rechts an ihnen vorüberzog. Wenn der Truck wieder mal einem Schlagloch nicht ausweichen konnte, schleuderte er gegen die Tür oder knallte ans Dach. Die Fensterkurbel bohrte sich in sein Bein und er stieß sich den Kopf. Aber er schnallte sich noch immer nicht an. Allerdings kroch seine Hand vorsichtig nach oben, als er glaubte, sein Onkel merke es nicht, um den Verschlussknopf an der Tür herunterzudrücken.
    Heuschrecken stoben vor dem Truck auf und taumelten in seinem Luftzug davon, als Frank rechts auf die Hauptstraße abbog und
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