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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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verbirgt und der meist nur von Blutegeln und anspruchslosen Fröschen als attraktiv empfunden wird. Es war der Schulklasse nicht gelungen, die größeren Räder anzuschaffen, von denen sie eigentlich geträumt hatte. Daher hatten sie einfach nur die Karosserie des Trucks so
weit angehoben, wie der Hersteller es erlaubte. Der Gesamteindruck war entsetzlich wackelig. Henrys Seesack wurde auf die Ladefläche des Trucks geworfen.
    »Du musst draufklettern«, sagte Onkel Frank und deutete auf die Ladefläche. »Die Ladeklappe lässt sich nicht herunterklappen, also steig auf den Reifen hier und zieh dich hoch. Ich schiebe dich ein bisschen an.«
    Henry stand auf dem Reifen und wippte einen Moment lang im Versuch, ein Bein über die Ladeklappe zu schwingen. Da versetzte ihm Onkel Frank von hinten einen Schubs und er fiel vornüber.
    Henry war noch nie auf der Ladefläche eines Lasters gefahren, und er war immer davon ausgegangen, dass es verboten sei. Obwohl er bei der einzigen Reise, auf die seine Eltern ihn je mitgenommen hatten - eine Reise zu frühen Siedlungen im Südwesten -, einen ganzen Laster voller Feldarbeiter vorbeifahren gesehen hatte. Da er selbst zu dieser Zeit in einem Kindersitz auf der Rückbank eines Volvos angeschnallt war, war er äußerst neidisch gewesen. Und nur ein paar Meilen weiter hatte er zu seinem Erstaunen feststellen müssen, dass neunjährige Jungen üblicherweise gar nicht in Kindersitzen fahren. Ein Schulbus voller Kinder, die sich an einer Ampel vor Lachen über ihn ausschütten wollten, hatte ihn diese Lektion gelehrt.
    Henry hockte sich auf einen Radkasten und stellte sich
auf eine geistige Erfahrung ein. Der Motor erwachte zum Leben, Frank zwang die widerstrebenden Metallteile des Getriebes zusammen, und Henry purzelte vom Radkasten herunter und auf die Ladefläche, während die Stadt Henry in Kansas an ihm vorbeirauschte. Sie fuhren einen Häuserblock weit, dann neigte sich der Truck zur Seite und bretterte rechts um eine Kurve herum. Henry fiel auf den Rücken und breitete die Arme wie Adlerflügel aus, damit er nicht hin und her kugeln konnte. Zwei Straßenblöcke weiter machte der Truck einen heftigen Satz, Kiesel prasselten wie Pistolenschüsse zwischen den Rädern. Henry sah, dass sich ein ganzer Hahnenschweif von Staub in den Himmel hinter dem Truck erhob, und er versuchte, sich nicht in einem fort den Kopf zu stoßen, wenn der Laster wieder mal durch ein Schlagloch fuhr. Schließlich hielt Onkel Frank mit einem energischen Zug der Handbremse an und Henry schlitterte mit dem Kopf voran gegen die Fahrerkabine. Er rappelte sich vorsichtig auf die Knie und erspähte ein hellblaues Haus, an das er sich vage erinnerte. Tante Dotty grinste ihm durch den Seitenspiegel zu, deutete auf das Haus und winkte.
    Das Haus war ziemlich groß und dahinter ragte eine noch größere Scheune auf. Eine überwiegend weiße Katze räkelte sich im Hof und blickte jetzt - weswegen auch immer - entsetzt auf. Im Erdgeschoss reihten sich
alte Bleiglasfenster aneinander. Das erste Stockwerk enthielt kleinere Fenster und vom Giebel blickte ein großes rundes Fenster herab. Im Eingang, unter einer langen Schnur grün angelaufener Windglöckchen, standen drei Mädchen und starrten Henry entgegen.
     
    Henry saß auf dem Holzfußboden und lehnte sich an die Wand. Die drei Mädchen saßen ihm im Schneidersitz gegenüber und starrten ihn an. Sie befanden sich auf dem Dachboden, einem großen offenen Raum. Die Wände waren schräg und am oberen Ende einer äußerst steilen Treppe befand sich ein altes Geländer. Henry sah nach links, aus dem großen runden Fenster auf der gegenüberliegenden Seite, und versuchte, seine Cousinen etwas weniger anzustarren, als sie es umgekehrt bei ihm taten. Rechts von Henry, auf der anderen Seite des Dachbodens, führte eine schmale Doppeltür in einen Raum, der jetzt keine Dachkammer mehr war, sondern Henrys Zimmer. Onkel Frank hatte sich wegen der Größe entschuldigt und angemerkt - bevor Tante Dotty ihm ihren Ellbogen zwischen die Rippen stieß -, dass sie, falls man von seinen Eltern nichts mehr hörte und er für immer bei ihnen bleiben müsste, hingehen und die Wand einreißen würden, damit sein Zimmer sich etwas vergrößerte.
    Henry hatte ihm gedankt.

    »Ich heiße Anastasia«, sagte das kleinste Mädchen.
    »Ich weiß«, antwortete Henry.
    Sie war die Jüngste, klein und kräftig für eine Neunjährige. Und sie hatte Sommersprossen. Ihr Haar war braun, aber Henry fand,
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