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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild
Autoren: Eliza Graham
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gelesen. Aber mir fällt nicht ein, wie sie genannt werden.« Deidre biss sich nachdenklich auf die Lippe.
    »Soll das bedeuten, es gibt noch mehr davon?«, meinte Simon angewidert. Wir reckten jetzt alle unsere Köpfe Richtung Tisch, das Lehrerzimmer ähnelte einer absurden Geburtsszene: die Betrachter verängstigt und angewidert von dem Kind im Zentrum des Tableaus.
    »Reborn-Babys, so heißen sie. Jetzt fällt es mir wieder ein.« Deidre strich mit ihren Fingern über das Gesicht des Babys.
    »Wiedergeboren?«, fragte ich.
    »Es gab einen Zeitungsartikel über sie. Sie sollen so lebensecht wie möglich aussehen. Es hat schon Fälle gegeben, da haben Leute die Polizei angerufen, weil sie die Puppen in Autos gesehen und gedacht haben, es seien echte Babys, denen es zu heiß werden könnte.« Sie registrierte offenbar, dass wir sie alle ungläubig ansahen. »Die Leute schieben sie in Kinderwagen und Buggys durch die Gegend«, beharrte sie.
    »Sie meinen wohl Frauen.« Jeremy Warner, Fachbereichsleiter Sport, verschränkte seine im Trainingsanzug steckenden Arme, als versuchte er, auf diese Weise die negativen Schwingungen der Puppe abzuwehren.
    »Es soll einige sehr traurige Fälle gegeben haben, in denen Frauen ihre Kinder durch Fehlgeburten oder plötzlichen Kindstod verloren haben«, führte Deidre in bitterem Ton aus. »Sie kaufen dann diese Puppen, geben sie manchmal sogar in Auftrag, damit sie aussehen wie die Babys, die sie verloren haben.«
    Sie zog den Brieföffner heraus. Ich ertappte mich dabei, dass ich die Luft anhielt, weil ich fast damit rechnete, Blut aus der Einstichstelle fließen zu sehen. Die Klinge hatte einen Schlitz von einem guten Zentimeter im Leinen hinterlassen.
    »So, das sieht doch gleich besser aus, oder?« Mein Vater nickte zustimmend. Deidre untersuchte den Brieföffner. »Nichts Besonderes. Jedenfalls kein Silber.«
    Emily löste ihre Beine und verschränkte sie wieder. Ich verspürte erneut Mitleid mit ihr.
    Deidre sah Jeremy mit einem herausfordernden Lächeln an. »Na los, Jeremy. Sie sind der Familienmensch. Nehmen Sie es in den Arm, und sagen Sie uns, ob es sich anfühlt wie echt oder nicht.« Auf seinem Pult hatte Jeremy neben seiner Schiedsrichterpfeife und den Listen seiner Teams ein Foto von seinen zwei kleinen Töchtern stehen, beide mit rosa Lätzchen und Sonnenhüten.
    Er sah aus, als würde er am liebsten im Sprint den Raum verlassen, aber männlicher Stolz trieb ihn dann doch aus seinem Stuhl und auf die Puppe zu, die auf dem Tisch lag. Er nahm sie in seine Arme. Ihm stand die Überraschung im Gesicht geschrieben.
    »Es ist, als hielte man ein echtes Baby, selbst der Kopf fühlt sich schwer an. Aber es ist kalt, nicht warm.« Er starrte die Puppe an, und sein Wunsch, sie quer durch den Raum zu schleudern, war unübersehbar. Deidre streckte die Hände danach aus, er übergab sie ihr mit offensichtlicher Erleichterung. »Einfach verrückt.«
    Ihre Schultern sackten nach unten, als sie die Puppe wiegte. Die beiden Söhne von Deidre waren inzwischen Teenager, aber ihr Körper erinnerte sich offenbar daran, wie man ein Neugeborenes wiegte. Die Bekleidung des Babys hatte etwas Vertrautes: Das lange elfenbeinfarbene Kleid und das Spitzenmützchen – beides erinnerte mich an etwas. Doch mir wollte nicht einfallen, wo ich die Sachen gesehen hatte. Die Puppe starrte uns mit leeren, aber genau ausgearbeiteten Zügen an.
    »Es fühlt sich zu real an.« Deidre legte die Puppe wieder auf den Tisch, vorsichtig, als wäre es ein echtes Baby. »Abgesehen von der Kälte, wie Jeremy schon sagte. Wirklich sehr verstörend. Ich frage mich, ob das mehr ist als bloß ein Streich.«
    »Was wollen Sie damit andeuten?« Dad sah sie an.
    Sie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. »Die Frauen, die diese Puppen verwenden, haben psychische Probleme, wenn das, was ich gelesen habe, stimmt.« Sie sah meinen Vater direkt an. »Und mit einem Messer derart zuzustechen … Wir müssen uns sehr intensiv damit auseinandersetzen.«
    »Glauben Sie, eins unserer Mädchen hier könnte … in Schwierigkeiten sein?« Selbst mein Vater errötete bei dieser altmodischen Formulierung. Ich sah bereits, wie er seinen Fehler im Geiste für zukünftige Verwendung korrigierte. »Ich meine, könnte eine unserer Schülerinnen schwanger sein oder gewesen sein?«
    »Das wäre eine Möglichkeit.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ein Fall für Cathy.«
    Cathy Jordan war die Schulkrankenschwester.
    »Ich möchte, dass
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