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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild
Autoren: Eliza Graham
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mich sogar aufraffen, ein paar der Gemälde aufzuhängen, die ich aus Wiltshire mitgebracht hatte und die noch immer auf dem Dachboden untergebracht waren. Ich könnte auch ein paar von den Teppichen auslegen, die Hugh mir aus den Basaren des Nahen Ostens mitgebracht hatte. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich schon dazu bereit war, mit ihren Mustern, die so bunt wie Edelsteine waren, zu leben. Manchmal war mir sogar danach, die Jalousien herunterzulassen, damit ich die grünen Hänge der Downs im Süden nicht sehen musste. Seit der Herbst Einzug hielt und die Hänge sich in gedämpftes Khaki kleideten, fand ich den Anblick viel erträglicher.
    Mein Hund kam mir entgegen, als ich die Tür öffnete, und es dauerte ein wenig, bis ich mich aus seiner Begrüßung befreit hatte. Samson war eine langbeinige Mischung aus Retriever und Spaniel und noch ein paar anderen Rassen, die ihn umso interessanter machten. Erst vor Kurzem war ich dazu übergegangen, ihn als meinen Hund anstatt Hughs Hund oder unseren Hund zu begreifen. Wie von Hugh vorausgesagt, war er jetzt, da er zwei Jahre alt war, ruhiger geworden.
    Ein rascher morgendlicher Gang durch die Wälder hinter der Schule, gefolgt von einer ausgedehnteren Wanderung zur Mittagszeit oder am Abend genügten Samson zu seiner Zufriedenheit. An den Wochenenden nahm ich ihn mit hoch zum Ridgeway auf dem Grat der Downs, wo er sich richtig auslaufen konnte. Mir war klar, wenn ich mich jetzt hinsetzte, würden meine Muskeln sich weigern, die Wohnung erneut zu verlassen, also schlüpfte ich in meine Gummistiefel und nahm die Leine mit. Eine flotte Wanderung im Zwielicht, wie meine Mutter diese Abendstunde zu nennen pflegte, würde helfen, die Anspannungen des Nachmittags abzuschütteln.
    Der Hund drehte mit hoch erhobenem Schwanz und aufgestellten Ohren große Kreise um mich. Ich warf ihm seinen Ball und verfolgte, wie er sich darauf stürzte. Ob er Hugh jetzt vermisste oder sich überhaupt an ihn erinnerte? Würde Samson, wenn Hugh wieder auftauchte, ihn begeistert anspringen oder ihn mit gespitzten Ohren und aufgerichtetem Kopf beobachten?
    Ich beschleunigte meinen Schritt in der wachsenden Dunkelheit. Mein Geist gab seine Bemühungen auf, über Hugh oder die erstochene Puppe in Simons Klassenzimmer nachzudenken. Dem Geschichtsraum, wie wir ihn nannten. Früher war es ein Schlafzimmer gewesen, worin ein Himmelbett mit Samtvorhängen stand. Seit den Sechzigerjahren hatte keiner mehr dort geschlafen. Bevor Simon kam, war es das Büro des Schatzmeisters gewesen. Jetzt befand sich die Finanzverwaltung in den eigens zu diesem Zweck gebauten Räumen im hinteren Teil des Hauses. In dem großen Eichenschrank des Geschichtsraums wurden nicht nur Simons Unterrichtsmaterial, sondern auch Fotoalben und Dokumente aufbewahrt, die mit der Vergangenheit des Hauses zu tun hatten. Während der Schulferien stellte Simon eine Geschichte von Letchford zusammen.
    Ich kehrte um. Korrekturen warteten auf mich. Wenn auch nicht viele. An einem Abend wie diesem wäre mir ein großer Stapel Arbeitshefte nur recht gewesen. Lange Essays über Macbeth . Grammatikübungen. Ein ganzes Tablett voll langweiliger Aufsätze. Ich lief ernsthaft Gefahr, mich meiner Post widmen zu müssen, wenn mir keine andere Ablenkung einfiel.
    Ich brauchte Gesellschaft. Ein Glück, dass es Simon gab, der Single war, etwa mein Alter hatte und mich immer zum Lachen brachte, ungeachtet meiner Stimmung. Ich überlegte, ihn anzurufen und ihn auf ein Glas Wein einzuladen. Oder auch zwei. Er hatte sicherlich auch keine Lust, über die Entdeckung der Puppe nachzugrübeln. Aber er hatte bereits zugegeben, dass er sich noch mit der Unterrichtsplanung befassen musste, weil er das den Sommer über nicht geschafft hatte.
    »Ich verschaffe mir gern erst einen Eindruck von meinen Klassen«, hatte er mir erzählt. »Um ein Gespür für ihre Persönlichkeiten und die Chemie zu bekommen. Dann schneide ich das, was ansteht, auf sie zu.« Auf meinen fragenden Blick hin hatte er mit prustendem Lachen reagiert. »Ne, du hast schon recht. Planen ist nicht mein Ding. Aber ich werde improvisieren.« Und das würde er. Nein, Simon würde ich heute Abend seiner Arbeit überlassen. Vielleicht rief ich Hughs Mutter an. Sie hatte morgen Geburtstag. Ich hatte ihr zwar eine Karte geschickt, aber es täte gut, sie zu sprechen, um mich an das zarte Band zu klammern, das mich mit meinem Ehemann noch verband. Vielleicht wollte ich mich aber auch an sie klammern, weil
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