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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen
Autoren: Ellis Peters
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Bezirk war sein Wort Gesetz. Seine Absicht war es, den Schaden möglichst gering zu halten, wo seine Mutter auf völlige Zerstörung aus gewesen war. »Bruder, wenn Ihr nach Farewell zurückkehrt, dann richtet ihnen aus, was ich soeben gesagt habe. Geschehen ist geschehen, und alles, was noch zu tun ist, wird offen und bei Tageslicht geschehen. Roscelin«, befahl er scharf, indem er sich an den unruhigen, immer noch strahlenden Jungen wandte, »laß die Pferde satteln, wir reiten nach Elford. Du stehst in meinen Diensten, bis ich dich entlasse, und ich habe nicht vergessen, daß du ohne Erlaubnis fortgeritten bist. Gib mir keinen weiteren Anlaß zum Schelten.«
    Aber seine Stimme klang nicht besonders wütend, und weder seine Worte noch der Blick, den er ihm zuwarf, konnten Roscelins überschäumende Freude dämpfen. Der Junge verneigte sich kurz, um den Befehl anzunehmen, und ging sofort hinaus, um zu tun, was sein Herr ihn geheißen hatte. Er flog durch die Türe, daß hinter ihm die Vorhänge flatterten. Ein Schwall kalter Luft kam von draußen in die Kammer wie ein Seufzen.
    Audemar blickte lange und nachdenklich zu Adelais, die unverzagt seinen Blick erwiderte und auf sein Urteil wartete.
    »Madam, Ihr werdet mit mir nach Elford zurückreiten. Ihr habt hier getan, was Ihr tun wolltet.«
    Trotz Roscelins Vorsprung saß Cadfael als erster im Sattel.
    Er wurde hier nicht mehr gebraucht. Natürlich hätte er gern erfahren, wie sich die Familie auf die neue Situation einstellte, da Entscheidungen sicherlich leichter zu fällen als zu verwirklichen waren, doch diese Neugierde mußte ungestillt bleiben, denn er würde kaum noch einmal hier vorbeikommen.
    Ohne Eile holte er sein Pferd und stieg auf. Er lenkte sein Tier gerade zum Tor, als Roscelin sich aus der Gruppe der Burschen löste, die Audemars Pferde sattelten, und Cadfael hinterdrein rannte.
    »Bruder Cadfael...« Einen Moment war er um Worte verlegen, denn für sein Staunen und seine Seligkeit gab es keine Worte. Dann aber schüttelte er den Kopf und lachte über seine Verwirrung. »Sagt ihr, sagt ihr, daß wir frei sind. Wir müssen uns nicht mehr zwingen, nichts kann uns jetzt mehr hindern...«
    »Mein Sohn«, sagte Cadfael freundlich, »inzwischen weiß sie es so gut wie Ihr.«
    »Und sagt ihr, daß ich bald, sehr bald schon zu ihr kommen werde. Oh, ja, ich weiß«, sagte er zuversichtlich, da er Cadfaels gehobene Augenbrauen sah. »Aber er wird mich schicken! Ich kenne ihn! Er wird eher einen Verwandten, den er kennt und auf den er sich verlassen kann, einen seiner eigenen Männer schicken, dessen Land an sein eigenes grenzt, als einen jungen Herrn aus einer anderen Gegend. Und mein Vater wird uns jetzt nicht mehr im Wege sein. Warum sollte er, wo doch alles aufgeklärt ist? Was hat sich verändert außer den Dingen, die verändert werden mußten?«
    Er hatte recht, dachte Cadfael, während er vom Sattel aus zu dem jungen, glühenden Gesicht hinunterblickte. Die Veränderung lag darin, daß Falschheit der Wahrheit gewichen war, und so schwer die Umstellungen auch wurden, es konnte nur besser werden. Die Wahrheit ist manchmal teuer, aber am Ende wird sie stets dem entrichteten Preis gerecht.
    »Und sagt ihm«, fügte Roscelin ernsthaft hinzu, »ich meine, sagt dem lahmen Bruder... ihrem Vater...« Verwundert und etwas schüchtern sprach er das Wort aus. »Sagt ihm, daß ich mich freue, daß ich ihm mehr schulde, als ich je zurückzahlen kann. Und sagt ihm, daß er sich um ihr Glück keine Sorgen mehr machen muß, denn darauf will ich mein Leben verwenden.«

14. Kapitel
    Etwa zu der Zeit, als Cadfael im Hof von Farewell vom Pferd stieg, saß Adelais de Clary mit ihrem Sohn in dessen Privatgemächern in Elford. Zwischen ihnen war ein langes, drückendes Schweigen entstanden. Der Nachmittag ging allmählich in den Abend über, das Licht wurde trübe, doch er hatte noch keine Kerzen bringen lassen.
    »Es gibt noch eine Angelegenheit«, sagte er schließlich, indem er sein düsteres Schweigen brach, »die so gut wie überhaupt nicht besprochen worden ist. Zu Euch, Madam, kam die alte Frau. Und Ihr schicktet sie mit einem knappen Nein wieder fort. In ihren Tod! Geschah es auf Euren Befehl?«
    Hitzig erwiderte sie: »Nein!«
    »Ich will nicht fragen, was Ihr darüber wißt. Was würde es nützen? Sie ist tot. Aber es gefällt mir nicht, wie Ihr damit umgeht, und ich habe entschieden, daß ich nichts damit zu tun haben will. Morgen, Madam, werdet Ihr nach Hales
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