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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen
Autoren: Ellis Peters
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unterschätzenden Rivalen gegenüber, nachdem er anfangs keine Schwierigkeiten gesehen hatte. Sein Stolz war verletzt, und er war entschlossen, mit ganzer Kraft um den gefährdeten Siegespreis zu kämpfen. Cenred war überwältigt, nachdem seine Familiengeschichte auf den Kopf gestellt worden war:
    Sein Vater schien gedemütigt und, da er der Täuschung erlegen war, sogar senil, seine Schwester war auf einmal eine Fremde, ein Eindringling ohne Rechte in seinem Haus. Emma saß schweigend und voller Furcht in ihrer Ecke, bekümmert um den Betrug an ihrem Herrn und den Verlust des Mädchens, das sie wie eine Tochter angenommen hatte.
    »Sie ist nicht meine Schwester«, sagte Cenred schwer und eher zu sich selbst als zu den anderen. Wütend wiederholte er seine Worte: »Sie ist nicht meine Schwester.«
    »Nein«, bestätigte Adelais. »Aber bisher glaubte sie es. Es ist nicht ihre Schuld, sie trifft kein Vorwurf.«
    »Sie ist nicht mit mir verwandt. Ich bin ihr nichts schuldig, weder Mitgift noch Land. Sie hat keine Ansprüche.« Er sagte es eher verbittert als triumphierend, denn er bedauerte das abrupte Ende einer liebevollen Verbindung.
    »Nein. Aber sie ist mit mir verwandt«, erklärte Adelais. »Die Mitgift ihrer Mutter ging an Polesworth, als sie die Gelübde ablegte, aber Helisende ist meine Enkelin und meine Erbin. Das Land, das ich besitze, wird an sie gehen. Sie wird nicht mittellos sein.« Sie blickte de Perronet an, während sie sprach, und lächelte traurig. Es war nicht nötig, den Weg des Geliebten zu sehr zu ebnen, indem das Mädchen in den Augen des Rivalen als mittellos und deshalb weniger anziehend dargestellt wurde.
    »Madam, Ihr mißversteht mich«, sagte Cenred mit unterdrückter Wut. »Dieses Haus war ihr Heim, sie wird es immer noch für ihr Heim halten, denn wohin sollte sie sonst gehen? Aber plötzlich sind wir von ihr abgeschnitten wie gelähmte Glieder. Ihr Vater und ihre Mutter sind im Kloster, und was hatte sie bisher mit Euch zu tun? Verwandt oder nicht, sie gehört hierher nach Vivers.«
    »Aber jetzt hält mich nichts mehr davon ab«, rief Roscelin triumphierend, »um ihre Hand anzuhalten. Ich kann offen um sie werben, es gibt keine Hindernisse mehr. Wir haben uns nicht versündigt, kein Schatten ist über uns gefallen, kein Bann besteht mehr zwischen uns. Ich werde gehen und sie heimbringen. Sie wird kommen, glücklich wird sie kommen! Ic h weiß es!« Er jubelte, seine blauen Augen blitzten vor Freude.
    »Ich wußte, daß unsere Liebe nicht falsch war! Ihr habt mich überzeugt, daß es eine Sünde gewesen sei. Sir, laßt mich gehen und sie heimholen!«
    Darauf entflammte de Perronet vor Wut, zischte wie brennender Schwefel, machte zwei rasche Schritte und baute sich vor dem Jungen auf. »Ihr springt zu früh und zu weit, mein Freund! Eure Rechte sind nicht größer als meine. Ich ziehe meine Werbung nicht zurück, und ich werde sie mit aller Kraft verteidigen.«
    »Wie Ihr wollt«, jubelte Roscelin, viel zu entrückt von Erleichterung und Entzücken, um engstirnig oder beleidigt zu sein. »Jeder soll sagen können, was er denkt, aber jetzt sind wir gleichberechtigt, Ihr und jeder, der noch kommen wird. Wir werden ja sehen, was Helisende zu sagen hat.« Aber er wußte genau, wie ihre Antwort lauten würde. Seine Sicherheit war eine Beleidigung, auch wenn sie nicht so gemeint war. De Perronet hatte die Hand an den Dolch gelegt, und heißere Worte drängten sich schon in seiner Kehle, als Audemar auf den Tisch hieb und den beiden Schweigen gebot.
    »Ruhe da! Bin ich hier der Oberherr oder nicht? Das Mädchen ist nicht ohne Verwandte, denn sie ist meine Nichte.
    Wenn hier irgend jemand ihr gegenüber Rechte und Pflichten hat, dann bin ich es, und ich sage, daß sie hier in Cenreds Obhut bleiben soll, wenn er es wünscht, und er soll die Rechte behalten, die er im Glauben, ihr Verwandter zu sein, in all den Jahren ausübte. Was ihre Heirat angeht, will ich mich mit ihm gut beraten und überlegen, was für sie am besten ist, aber ich werde sicherlich nicht gegen ihren Willen entscheiden. Nur für den Augenblick laßt sie in Ruhe! Sie hat sich Zeit für sich selbst ausbedungen, und die soll sie haben. Wenn sie bereit ist, zurückzukehren, werde ich sie selbst holen.«
    »Einverstanden!« erklärte Cenred aufatmend. »Ich bin zufrieden! Besser könnte ich es mir nicht wünschen.«
    »Und Ihr, Bruder...« Audemar wandte sich an Cadfael. Er hatte die Situation unter Kontrolle, und in seinem
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