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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen
Autoren: Edwin Klein
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Kühlaggregat mit vielen Lamellen, gewundenen Kupferrohren und runden Gefäßen. Vielleicht funktionierte es überhaupt nicht mehr. Aber es gab daneben auch noch einen Schaltkasten mit einer kleinen Klappe aus Blech. Und die konnte man aushängen. Und die Blechkante passte genau in den Schlitz der Schrauben. Nun, die Prozedur war zeitaufwendig und mühsam, aber es bereitete Sarah kein sonderliches Problem, mit Hilfe der Klappe die Schrauben aufzudrehen. Ganz leicht ließ sich die Tür dann öffnen. Und später auch wieder schließen. Sie brauchte nur die Tür mit dem Zapfen in das Schloss zu schieben und sie auf die richtige Höhe zu bringen, die Schrauben der beiden Scharniere einzudrehen, anschließend wieder die Klappe am Schaltkasten einzuklinken, schon war sie eingesperrt.
    Um zukünftig die wundersame Flucht zu beschleunigen und zu erleichtern, schmuggelte sie einen Schraubenzieher in den Weinkeller. Sie befestigte einen dünnen Nylonfaden an seinem dicken Ende und verknotete den Faden im Bodenablauf unter dem Sinkkasten an einem verdeckt im Abflussrohr liegenden Schutzgitter gegen Mäuse und Ratten.
    Und wenn Henry nach ihr schaute, stand er oft kopfschüttelnd vor ihr, als könne er nicht glauben, dass sie da war. Sie war für ihn wie ein Geist. Und sie bewegte sich auch wie ein Geist. Sie kam und ging, wann sie wollte. Und sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Mit Henry. Denn Henry hatte Angst vor Geistern. Erst recht, weil der Geist, der ihn ständig plagte, seiner Frau so ähnlich sah. Deshalb suchte er Trost und Beistand. Immer mehr Alkohol, dann auch Tabletten und später die Engelstimme. Aber die Stimme gehörte auch zu einem Geist, dem gleichen Geist. Eigentlich jedoch sind Geister immer stumm. Sogar Henry war das aufgefallen. Aber der wusste ja nicht, träumte er oder lag er wach.
    Wenn Sarah nun an den Weinkeller dachte, dann war es für sie auch wie ein Traum. Ein angenehmer, schöner, sie zu neuem Leben erweckender Traum. Ein Traum, der all ihre Wünsche und Vorstellungen und Gefühle verwirklichte. Auch die nach Hass und Rache.
    Mit der Zeit merkte sie jedoch, dass der Traum seine Schuldigkeit getan hatte. Sie nahm sich vor, nie mehr an diesen Weinkeller zu denken. Und das gelang ihr auch. Sie nahm sich vor, alle Tonbänder von Henry, deren Inhalt nur sie allein kannte, genau zu studieren. Und es erfüllte sich wieder ein Traum. Nicht weit von Saarburg entfernt. In Luxemburg, wo es viele Banken gibt. Ganz anonym. Und Henry war dort nicht als Henry bekannt, sondern unter einer Nummer. Wenn man die wusste, dann öffneten sich auch alle Türen. Wie im Weinkeller. Jedoch ohne Schraubenzieher. Aber das mit der Nummer ist wieder ein anderer Traum. Und von diesem würde sie garantiert niemandem erzählen. Auch Carmen nicht.
    Nur eine Kleinigkeit bereitete ihr seit geraumer Zeit Kopfzerbrechen. Zuerst war er nicht da, als sie vor Monaten nach ihm suchte, um ihn für immer und endgültig verschwinden zu lassen. Gut, der dünne Nylonfaden, er hätte sich lösen oder abreißen können, als man mit viel Wasser den Weinkeller gereinigt und ausgespült hatte. Dabei wird der Schraubenzieher wohl einfach im Abfluss weggeschwemmt worden sein, sagte sie sich.
    Aber vor einer Woche lag er mitten auf dem Küchentisch. Und daneben stand eine Flasche mit Salzsäure. Mit diesem gefährlichen Inhalt musste man vorsichtig umgehen. Und Sarah war auch vorsichtig gewesen, als sie die Schrauben der Scharniere in die Salzsäure getaucht, sie dann zum letzten Mal in das Holz gedreht und anschließend mit einem Pinsel die Scharniere bemalt hatte. Bereits am nächsten Tag konnte man einen feinen braunroten Film auf dem Metall sehen. Und wenige Tage später war das Scharnier komplett verrostet.
    Da lag also dieser Schraubenzieher auf dem Küchentisch und daneben stand eine Flasche mit Salzsäure. Nicht die richtige Flasche, die hatte sie in der Saar verschwinden lassen, aber gefüllt mit Salzsäure. Der Schraubenzieher jedoch war das Original mit dem grünen Griff und dem Loch darin. Ein Stück des Nylonfadens hing an ihm.
    Außerdem gab es da auch noch drei Fotos. Auf dem einen lächelte sie eine junge Frau an. Sarah erkannte sofort Walli, das Kindermädchen. Auf dem anderen war Mary zu sehen. Bieder, mit Nickelbrille und Zopf, einem weiten Kleid und einer Schürze. Die Gesundheitssandalen blieben verborgen, weil das Bild in Kniehöhe endete.
    Und auf dem dritten erkannte sie ebenfalls Mary, die, wieder aufgeblüht, viel
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