Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
* KAPITEL 1
     
    * I
     
    Als die Sonne hoch genug stand, um die Schieferdächer auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Licht zu tauchen, stahlen sich langsam die ersten Strahlen durch den Spalt in Sally Lumbs' Fenstervorhängen und ließen eine Strähne goldblonden Haars aufblitzen, das sich über ihre Wange ringelte. Sally träumte. Minotauren, Bankbeamte, Gazellen und Gnome hüpften ausgelassen durch die weiten Kornspeicher, die eleganten Maisonettewohnungen und die gotischen Schlösser ihrer Phantasie, doch als sie wenige Stunden später erwachte, war nichts geblieben außer dem bizarren Bild einer Katze, die sich mit äußerster Vorsicht einen Weg bahnte durch die spitzen Glasscherben auf einer hohen Mauer. Träume, nichts als Träume. Bilder, an die sie sich meist nicht einmal mehr erinnerte, die nichts zu tun hatten mit den weit wichtigeren Phantasien, die sich auch ohne Schlaf jederzeit abrufen ließen. Träume, in denen sie ein glänzendes Examen ablegte und in die Marion Boyars Academy of Theatre Arts aufgenommen wurde. Träume, in denen sie Schauspielunterricht nahm, aber realistisch genug blieb, um auch Kurse als Fotomodell und Visagistin zu belegen. Für den Fall, daß ihr Talent nicht ausreichte zu einer zweiten Jessica Lange oder Kathleen Turner, wollte sie der glitzernden Welt des Glamours wenigstens am Rande angehören.
      Als sie sich endlich rekelte und streckte, war der Sonnenbalken bereits weitergewandert zum Fußboden neben ihrem Bett und warf sein streifiges Licht auf das Knäuel von Kleidern, die sie in der Nacht zuvor einfach hatte fallen lassen. Unten in der Küche klapperte Geschirr, und der satte Bratendunst von frischem Roastbeef wehte bis herauf in ihr Zimmer. Sally stand auf. Zweifellos war es taktisch klüger, nicht erst zu warten, bis Mutters nervtötendes «Zu Tisch!» ertönte, sondern gleich nach unten zu gehen und ein bißchen beim Gemüseputzen zu helfen. Immerhin konnte sie ihren guten Willen zeigen und vielleicht erreichen, daß das Verhör über ihr langes nächtliches Ausbleiben nicht allzu peinlich ausfiel.
      Sie stellte sich vor die Spiegeltür des hohen alten Eichenschranks und begutachtete ihren nackten Körper. Alles in allem, fand sie, hatte sie eine prima Figur, wenn man von dem leichten Babyspeck um Hüften und Schenkel mal absah, aber der würde schließlich auch bald verschwinden. Ihre Brüste jedenfalls waren einfach perfekt. Die meisten Leute machten ihr zwar dauernd Komplimente über ihr langes, seidiges Haar, aber die hatten ja auch ihre Brüste noch nicht gesehen. Im Gegensatz zu Kevin. Der hatte. Gerade gestern abend noch. Er hatte sie gestreichelt und gesagt, sie wären absolut Spitze. Gestern nacht, da war es fast zum Letzten gekommen, und beim nächsten Mal, schon bald, würden sie's bestimmt machen, das war klar. Sie sah dem großen Augenblick mit einer Mischung aus Angst und Verlangen entgegen. Nach allem, was sie in den Zeitschriften und Büchern darüber gelesen hatte, war der Durchbruch zur Ekstase schnell geschafft, und dann begann die große, glutvolle Leidenschaft.
      Leise fuhr sie mit der Spitze des Zeigefingers über eine Brustwarze und spürte ein Kribbeln im Bauch, während sich die Brustwarze versteifte. Mit glühenden Wangen wandte sie sich ab und begann sich anzuziehen.
      Kevin war große Klasse. Er wußte genau, wie er sie erregte; seit Beginn des Sommers hatte er mit ihrer Lust gespielt, ihre Grenzen bei jedem Mal vorsichtig ein wenig erweitert, und bald würde ihm alles gehören, das ganze Terrain. Obwohl er jung war, wie sie selbst, schien er instinktiv zu wissen, was ihr gefiel, etwa so, wie sie sich das bei einem älteren und erfahrenen Mann vorgestellt hatte. Wahrscheinlich liebte sie ihn sogar, ein bißchen jedenfalls. Aber wenn ein anderer des Weges kam - jemand, der reifer war, wohlhabender, kultivierter, jemand, der in den aufregenden, dynamischen Metropolen dieser Welt zu Hause war - dann, nun schließlich war Kevin im Grunde nichts weiter als ein Landei.
      Angetan mit Designer-Jeans und einem schlichten weißen T-Shirt, zog Sally die Fenstervorhänge zurück. Nachdem sich ihre Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten, sah sie hinaus in einen strahlenden Tag. Es war typisches Swainsdale-Wetter. In der leichten Morgenbrise segelten hier und da ein paar flauschige Wolkentuffs über den tiefblauen Himmel. Einer der Wattebäusche hatte die Form eines Teddybären, ein anderer sah aus wie ein großer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher