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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert
Autoren: Anna Kashina
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mühelos in den Steigbügeln |16| auf, als stehe er auf festem Boden. Seine Hand ruckte hoch und schwang etwas, das aus dieser Entfernung unsichtbar war. Und
     ließ es davonwirbeln. Und zog bereits im nächsten Moment kraftvoll daran. Sein Reittier erbebte kurz unter der doppelten Anstrengung,
     der reiterlose Kastanienbraune strauchelte, fing sich aber und wechselte abrupt die Richtung.
    Ein Arkan-Wurfseil.
Skip lächelte. Er hatte davon gehört, wie geschickt die reitenden, lassoschwingenden Cha’ori-Herdenhüter damit umzugehen verstanden.
     Kein Tier der weiten Ebenen, so hieß es, sei vor ihnen sicher. Einmal hatte er sogar mit eigenen Augen gesehen, wie einer
     von ihnen seine Lasso-Künste vorführte. Aber noch nie zuvor war Skip Zeuge geworden, wie man ein lebendes Tier damit einfing.
    Mit schnellen Bewegungen holte der Cha’ori den Fang ein und befestigte die Zügel des Braunen an seinem Sattel. Wie selbstverständlich
     wechselte sein Reittier die Gangart; und schon brausten die fünf Cha’ori davon und verblassten zu einem fernen Gestöber aus
     Helmbüschen, Pferdeschweifen und von wirbelnden Hufen emporgeschleuderten Erdklumpen.
    Binnen einer kaum messbaren Zeitspanne war alles wieder still. Der gestürzte Mann, der auf der anderen Seite des Findlings
     lag, gab keinen Laut von sich. Von seinen Verfolgern war weit und breit nichts zu sehen.
    Skip, Erle und Ellah warteten eine ganze Weile, bis sie es schließlich doch wagten, den Kopf durch das Gewoge der Tentakelmasse
     zu stecken.
    »Los, gehen wir zu ihm!«, drängte Skip. »Vielleicht lebt er noch!«
    »Hinaus   ... in die Or’hallas?«, sagte Ellah erschrocken. »Hast du den Verstand verloren?«
    »Wir können den Mann da draußen nicht einfach sterben lassen.«
    |17| »Und was, glaubst du, können wir für ihn tun, Skip?«, fauchte Ellah. »Ihn hochheben und heldenhaft hierher in Sicherheit tragen?
     Grandios! Da schleichen ja nur ein paar Mörder und Cha’ori herum!«
    Skip blinzelte und sah ganz betont unbeeindruckt an ihr vorbei zu seinem Bruder hinüber. »Hast du seine Haare gesehen?«
    »Nicht deutlich genug«, druckste Erle herum.
    »Was ist damit?«, fuhr Ellah dazwischen.
    »Sie waren schwarz!«
    Erle ließ Skip nicht aus den Augen. »Das kam wahrscheinlich nur von der Sonne.«
    »Wir können nicht da rausgehen!«, erklärte Ellah. »Was, wenn diese Mörder zurückkommen? Was, wenn uns die Cha’ori erwischen,
     so weit von der Hecke entfernt?«
    »Ich habs genau gesehen«, beteuerte Skip.
    Die beiden Brüder sprangen auf.
    »Wir sollten nachsehen«, sagte Erle zu Ellah. »Wir können ihn wirklich nicht einfach so liegen lassen.«
    Sie runzelte die Stirn; sie schaute so düster von Erle zu Skip und wieder zu Erle, dass es besser schien, etwas Abstand von
     ihr zu halten.
    Also bahnten sie sich einen Weg durch die Hecke – jener Barriere aus Tentakelgestrüpp und himmelhohen Ulmen, die das Grasland
     begrenzte. Die Bäume wuchsen in nahezu perfekter, gerader Linie und bildeten von Bengaw im Westen bis zu den äußeren Wüsten
     von Shayil Yara im Süden auf einer Länge von hunderten Werst eine Grenze aus purem Wald. Die alten Legenden besagten, jeder
     Baum sei mehrere tausend Jahre alt.
    Es war ein befremdliches Gefühl, diese schützende Grenze zu überschreiten und sich in die offene Weite der feindseligen Or’hallas
     hinauszuwagen – der Heimat der unzivilisierten Nomadenstämme und Riesenvögel, die einen Menschen |18| mit ihren gewaltigen Klauen davontragen konnten, ehe er sich’s versah. Ganz zu schweigen von den schrecklichen Stürmen und
     tausend weiteren Gefahren, von denen selbst Baba Yagna nur widerstrebend erzählte. Jedem Kind der Waldlande wurde eingeschärft,
     nie, niemals, auch nur einen Fuß auf die andere Seite der Hecke zu setzen. Wüsste Vater, was sie vorhatten –
    Skip zwang diesen Gedanken beiseite – insbesondere jetzt, da sie vorsichtig ins Freie, Ungeschützte, hinaustraten. Der Wind
     ließ sein viel zu großes Hemd flattern, und Ellahs brauner Rock bauschte sich – sie strich ihn hastig nach unten und warf
     den Brüdern einen finsteren Blick zu. Die Grasland-Brise zupfte verspielt an ihren Zöpfen und zerzauste Skips und Erles Haare.
     Skip gab sich alle Mühe, sie zu ignorieren, als er voranging   ... zu dem großen Steinklotz hin, und zu der Gestalt, die dort immer noch reglos lag.
    Der Mann lebte noch. Trotzdem, soviel stand fest, kam für ihn jede Hilfe zu spät. Man musste kein
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