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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert
Autoren: Anna Kashina
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Es kam ihm vor, als seien Jahre ins Land gezogen seither. Und sie hatten kein einziges Mal mehr miteinander gesprochen –
     nicht über sich und nicht über dieses Ungemach eines ganzen Lebens, das sie beide irgendwie wohl immer noch unter sich begrub.
     Es gab so vieles zu sagen. Und doch wollte er gar nicht reden. Er wollte sie nur ansehen und sich ihrer Nähe erfreuen.
    Nur musste er natürlich
irgend etwas
von sich geben. »Hallo«, brachte er schließlich heraus.
    Sie lächelte. »Du verstehst es, die richtigen Worte zu finden«, sagte sie. Und noch während er bis in die Ohrenspitzen errötete
     und sich am liebsten unter die Bettstatt gelegt und mit beiden Fäusten auf den Boden eingeschlagen hätte, fuhr sie, ein wenig
     schalkhafter lächelnd, fort: »Du hast deine Sache gut gemacht vor dem Konzil – das meinte ich. Hin und wieder hitzte sich
     die Stimmung ein wenig daran auf, und |635| Raishan und ich zweifelten nicht, kämpfen zu müssen. Aber es erwies sich, dass in diesem Falle Worte stärker waren als Waffen.«
    »Du warst an meiner Seite. Das war mir die größte Hilfe«, sagte er und meinte es genauso – in jeder Hinsicht. Freilich fiel
     es weit leichter, zu sagen, was man zu sagen hatte, wenn gleich zwei Diamant-Majat über einen wachten. Doch Kara bei sich
     zu wissen, zu wissen, dass ihr nichts von alledem entging, was er sagte und tat, das hatte den entscheidenden Ausschlag gegeben.
    Eine Weile saßen sie nur beieinander und sahen den lodernden Flammen, den weißgluthellen, funkensprühenden Scheiten zu.
    »Du willst abreisen?«, stellte er schließlich fest.
    Sie nickte. »Ich muss zurück. Es mag sein, dass der Gildenmeister bereits mit einem neuen Auftrag auf mich wartet. Und   ... hierzubleiben und Raishan zu zwingen, meinen Beistand anzunehmen, so etwas ist nicht üblich unter meinesgleichen.« Sie
     lachte freudlos auf. »Nicht, dass der Mann meine Hilfe wirklich gebraucht hätte. Aber, wie auch immer – ich hab den Kodex
     arg zu meinen Gunsten ausgelegt. Es wird Zeit für mich.«
    Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Sie war in Aknabar geblieben und hatte Raishan
gezwungen
, sich von ihr helfen zu lassen? Wiewohl er ihren Beistand doch ihren eigenen Worten zufolge gar nicht nötig hatte? Konnte
     es also sein, dass sie in Wirklichkeit aus einem ganz anderen Grund in Aknabar geblieben war?
Seinetwegen?
Er wollte es glauben. Wollte es, wollte es unbedingt.
    »Kara«, sagte er.
    Sie wandte sich zu ihm um und sah ihn an. Wieder einmal war’s ihm unmöglich, in ihrem Gesicht zu lesen.
    Er beugte sich zu ihr hinüber, streckte die Hand aus und strich sacht über Karas Finger. Sie entzog sie ihm nicht. Er |636| nahm ihre Hand in die seine. Sie war warm und wurde ganz weich in seinem Griff.
    »Warum hast du Aknabar nicht verlassen? Dein Auftrag war erfüllt, dein Unterpfand wurde dir zurückgegeben.« Er mühte sich,
     energisch zu sprechen, und doch, seine Stimme war kaum zu hören. »Du warst frei, du hättest gehen können.«
    Sie erwiderte seinen Blick. Ganz nah waren sich ihre Gesichter nun; so nah, dass er ihren Atem auf der Wange zu spüren vermochte.
    »Ja«, erwiderte sie. »Hätte ich.«
    Er berührte ihr Gesicht, spürte ihre seidigen Haare unter seiner Hand. Für einen Moment saß sie sehr still. Dann entzog sie
     sich ihm. Ganz langsam. Stand auf.
    »Es tut mir leid, Skip«, sagte sie. »Du weißt alles über mich. Deshalb musst du verstehen, warum dies nie geschehen kann.«
    Auch er stand nun auf, ergriff ihre beiden Hände, und die Wärme ihrer Haut fand einen prickelnden Widerhall bis in seine Seele
     hinab. Er ließ Kara nicht aus den Augen.
    »Ich liebe dich, Kara«, sagte er. »Ganz gleich, wer oder was du bist – ich werde dich immer lieben.«
    Ihre Augen lockten ihn, doch gleichzeitig schob sie ihn von sich. »Ich bin ein Diamant-Majat«, stieß sie hervor. »Ich bin
     der Beste der Besten. Meine Ausbildung, meine Erziehung, meine gesamte Existenz ist nur auf eines ausgerichtet. Ich lebe,
     um zu töten – nicht, um zu lieben.«
    Er sagte nichts, er sah ihr nur in die Augen. »Ich kann nicht ändern, was du bist«, flüsterte er dann. »Und ich will es auch
     nicht. Aber ich erbitte mir eine Chance von dir. Das ist alles. Eine Chance. Es sei denn, ich bedeute dir nichts. Aber dann
     sag’s mir, dass es so ist, und ich werde dich nie wieder behelligen.«
    Wieder sah sie ihn lange, lange an. Dann glitt sie mit einer einzigen Schattenbewegung heran und in
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