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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert
Autoren: Anna Kashina
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Erinnerungen als Bruder Boydos kannte. Sein
     Gesicht war kaum zu erkennen in den tiefen Schatten unter der Kapuze. Jedoch nach den Ereignissen im Kloster zu Aknabar hätte
     er diesen Mann immer und unter allen Umständen erkannt.
    Sein Erscheinen hier und jetzt, und noch dazu an der Spitze der Priesterschaft, konnte nur eines bedeuten – dass es nun offiziell
     war. Bruder Boydos war als Haghos’ Nachfolger berufen und der neue Allheilige Vater der Kirche.
    Die zweite Prozession schwebte ganz in Kapuzenkutten von reinstem Weiß einher. An ihrer Spitze sah Skip eine Frau schreiten,
     deren wahrhaft kunstvolle Kopfbedeckung in einer Art gigantischem Schnabel auslief und sie von fern wie eine fremdartige,
     aufrecht gehende Harpyie in einem langen, fließend weißen Robengewand aussehen ließ. Doch anhand von Erzählungen erkannte
     Skip sie rasch als die Mutter Bewahrerin, Kopf jenes geheimnisumwitterten Ordens der Bewahrer und Hauptverantwortliche dafür,
     dass er hier und heute am Leben war. In ihrer nächsten Nähe, nur einen Schritt hinter ihr, schritt Magister Egey Bashi.
    Als die Prozession die Dorn-Gruppierung passierte, zwinkerte Bashi zu Skip herüber.
    |628| »Das Konzil ist bereit zu tagen«, sagte Evan. »Nehmen wir also unsere Plätze an der Tafel ein.«
    Abermals entgingen Skip die vielen Augen nicht, die sich auf ihn richteten; mit einem Ausdruck von Enttäuschung darin, gerade
     so, als seien sie um etwas betrogen worden.
    Er war gewarnt.
Wie ein Mann stehen sie bereit, mich als Betrüger bloßzustellen,
dachte er.
Sie wollen mich scheitern sehen, wollen mich wie einen Verbrecher verhören, um aller Welt zu zeigen, dass ich ein Schwindler
     und, schlimmer noch, ein Bürgerlicher bin.
    Fast taten sie ihm leid, da sie doch so ganz und gar ohne Chance waren. Jedoch – die wahre Prüfung erwartete ihn hier, an
     der altehrwürdigen Konzilstafel.
    Er war bereit.
    Das erste Schwert lag blankgezogen mit schimmernder dunkler Klinge im Zentrum der Tafel auf einem langen, karmesinroten Polster
     und entriss allen ein Raunen, Hochdamen wie Hochgebietern gleichermaßen. Noch mehr Blicke tasteten über Skips Narbe hinweg
     und wandten sich gleich wieder ehrfürchtig der Klinge zu.
    Auf Dorns Geste hin nahm er seinen Platz zur Rechten des herzoglichen Konzilssessels ein; aufrecht stehend, sodass ein jeder
     einen guten Blick auf die Narbe über seinem Herzen hatte. Ein wenig schwindelig war ihm davon, sich so allgegenwärtig im Zentrum
     der Aufmerksamkeit angestarrt zu wissen. Aber weit befremdlicher noch kam es ihm vor, dass seine in den Waldlanden so weitverbreitete
     Haarfarbe ein solches Staunen unter diesen hohen Damen und Herren hervorrief, bis die Narbe selbst eher nebensächlich erschien
     – und sie war es doch, die ein lebender Mensch ganz unmöglich haben konnte.
    Das gesamte Gefolge versammelte sich hinter Dorns Sessel. Wie Statuen ragten die Majat in vorderster Reihe links und rechts
     neben Skip empor.
    |629| Seine Heiligkeit, der Allheilige Vater Boydos, nahm auf dem Sessel mit dem goldenen Schnitzwerk des Heiligen Sterns Platz,
     der dem Königssessel gegenüberstand, hob die Hände in segnender Geste und signalisierte so – anders als Haghos – schweigend,
     das Konzil möge beginnen.
    »Eure Erhabenheiten, Hochgebieter und Hochdamen«, ergriff er das Wort. »Vieles ist geschehen in Tallan Dar seit unserer letzten
     Zusammenkunft. Die schmerzlichste Neuigkeit betrifft gewiss unseren geliebten König Daegar. Ehren wir sein Andenken mit einem
     Moment der Stille.«
    Sie alle senkten den Kopf und schwiegen still.
    Die Nachricht vom Tode des Königs Daegar war Skip und den Seinen bereits an den Stadttoren Tandars zugetragen worden. Eine
     Überraschung war es für keinen gewesen, das wusste Skip. Jedoch war so, was sie zu tun vorhatten, nur umso dringlicher geworden.
    »Bevor dieses Konzil zu Ende geht«, fuhr Seine Heiligkeit fort, »gilt es nun also, einen Thronfolger einzusetzen. Da Ihre
     Majestät keinen offiziellen leiblichen Erben hat   –«
    Die Mutter Bewahrerin erhob sich und des Allheiligen Vaters Stimme erstarb, da alle sich ihr zuwandten.
    »Vergebt mir, Allehrwürdiger«, sagte die Mutter Bewahrerin. »Doch glaube ich wohl, als allgemein bekannt voraussetzen zu dürfen,
     dass das Haus Dorn an erster Stelle steht, was alle Belange der Thronfolge anbetrifft. Und, wie Ihr noch weit besser wisst
     als ich, vollzog Seine Erhabenheit, der Sturmgebieter Evan Dorn, unlängst im Verlauf
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