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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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spürte, wie etwas in ihm sich zusammenzog.
    „Er ist uns gefolgt, nicht wahr?“
    „Möglich“, gab Tal zurück. Er warf die Zigarette hinaus in den Hof, dann schloss er das Fenster. „Wie ist es gelaufen?“
    „Wir haben, was wir wollten“, erwiderte Katzenbaum. Er hatte plötzlich einen schalen Geschmack im Mund. Sein Bein schmerzte.
    „Und Fedorow?“
    „Schuldet uns was.“
    „Ah“, sagte Tal nur. Er goss sich Kaffe in die Tasse. „Ich nehme an, das bleibt unser Geheimnis?“
    Katzenbaum lächelte schmal.
    „Runter auf die Knie“, wiederholte Rafiq. Nikolaj betrachtete den Krater, den die Kugel in die Mosaikwand neben seinem Kopf gerissen hatte. „Und Hände in den Nacken.“ Korditgestank hing in der Luft. Langsam breitete er die Arme vom Körper weg. Er ließ sich zuerst auf ein Knie herunter, dann drehte er den Kopf ein wenig. Rafiq stand dicht hinter ihm. Er hielt die Waffe auf Brusthöhe. „Mach schon!“
    Nikolajs Körper spannte sich. Er hob die Hände noch ein kleines Stück höher, bis zu den Schultern. Dann schoss seine rechte Hand vor und packte Rafiqs Handgelenk. Er drehte sich und lenkte gleichzeitig die Waffe nach oben. Zwei Schüsse explodierten schnell hintereinander, die Kugeln schlugen in die gekachelte Decke. Putzbrocken und Sand stürzten hinab. Nikolaj rammte seinen Ellenbogen in Rafiqs Leib. Rafiq keuchte auf. Er verlor das Gleichgewicht, sie stürzten. Schwer atmend rangen sie um die Pistole.
    Nikolaj ballte seine freie Hand zur Faust und schmetterte sie gegen das Jochbein des anderen. Fast im gleichen Moment traf ein Hieb seine verletzte Seite. Nikolaj hörte sich selbst schreien. Blut rauschte in seinen Ohren. Der Schmerz war so überwältigend, dass er unwillkürlichseinen Griff um Rafiqs Handgelenk lockerte. Die Waffe kam hoch, Nikolaj packte wieder zu und verdrehte Rafiqs Arm. Ein dritter Schuss löste sich.
    Halb entwand sich Nikolaj aus der Umklammerung und griff mit der freien Hand nach der Pistole. Seine Finger schlossen sich um den Lauf. Mit einem Ruck entriss er Rafiq die Waffe. Sein Arm beschrieb einen Bogen und hämmerte den schweren Griff in Rafiqs Gesicht. Die Augen des anderen verloren für einen Moment den Fokus. Nikolaj konnte sehen, dass er darum kämpfte, nicht in die Bewusstlosigkeit abzudriften. Mit einem Ruck kam er hoch und richtete die Pistole auf ihn. Er taumelte ein paar Schritte zurück, bis er mit dem Rücken gegen einen Pfeiler stieß. Sein Körper schmerzte, seine Seite fühlte sich an wie mit Glasscherben gespickt.
    „Steh auf“, sagte er.
    Rafiq gehorchte. Mühsam kam er auf die Beine. Dann stand er und starrte Nikolaj an. Sein Gesicht spiegelte widersprüchliche Empfindungen.
    „Was willst du?“, stieß Nikolaj hervor.
    „Jedenfalls nicht das“, murmelte Rafiq, „was Katzenbaum wollte.“
    Flüchtig rieb Nikolaj sich über die Stirn. „Geht es um damals?“
    „Es ist ein Teil des Problems“, gab Rafiq zu.
    „Ich weiß nicht, ob es was ändert“, sagte Nikolaj, „aber die Israelis haben euch belogen. Ich habe mit Carmen darüber gesprochen ...“
    Er sah, dass ein Schatten sich über Rafiqs Gesicht legte.
    „Du kannst das glauben oder nicht.“ Nikolaj senkte den Kopf. „Ich konnte mir nie vorstellen, dass wir uns mal so gegenüber stehen würden.“
    Carmen hatte es wieder und wieder durchgedacht. In Miada Boleslav hatte sie Katzenbaum angerufen, und dann war ein Team von Killern aufgetaucht. Es gab nur eine einzige Erklärung. Sie durfte Katzenbaum nicht länger vertrauen. Kusowjenko war tot, aber zuvor hatte er die Namen noch preisgegeben. David Liberman und Shimon Cohen. Windgeräusche und statisches Knistern hatten die Übertragung gestört, aber die Namen hatte sie verstanden.
    Mein Gott. Wie konnte sie sich schützen? Nikolaj war verschwunden. War vielleicht tot. Carmen wusste nicht, wie sie Kontakt mit ihm aufnehmen konnte. Sie wollte ihn, und gleichzeitig hatte sie ihn verraten. Das war ein Widerspruch, der ihr den Atem abschnürte.
    Liberman und Cohen.
    Es klang wie eine Lebensversicherung und gleichzeitig wie eine Fahrkarte in die Hölle. Es war Sprengstoff. Sie würden sie jagen, wenn wie erfuhren, dass sie davon wusste. Mein Gott, und wie sie sie jagen würden. Was war, wenn Nikolaj getötet worden war? Wenn jemand das Mikrofon gefunden hatte? Aber sie konnten doch nicht wissen, dass Kusowjenko diese Namen genannt hatte, oder? Carmen stand auf und zog sich mit hastigen Bewegungen an.
    Natürlich wussten sie es.
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