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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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verlassen hatte. Aber das spielte im Grunde gar keine Rolle. Peter schrieb Artikel für das Ressort Politik – jedenfalls hatte er das vor zwei Jahren getan.
    Er würde sich für das interessieren, was sie ihm zu sagen hatte. Davon war sie überzeugt.
    Nikolaj arretierte den Sicherungshebel der Waffe, dann schob er sie in seinen Hosenbund. „Ich werde jetzt gehen“, sagte er ruhig. „Und wenn du vernünftig bist, versuchst du nicht, mir zu folgen.“
    „Was für eine Art Killer bist du eigentlich? Ich habe mich das schon in Zypern gefragt.“
    „Was meinst du?“
    „Du bist inkonsequent.“
    „Weil ich dich nicht getötet habe?“
    Rafiq nickte.
    „Es gab keinen Grund.“ Nikolaj zuckte mit den Schultern. „Außerdem bin ich raus aus dem Geschäft.“
    „Aus diesem Geschäft steigt man nicht einfach so aus.“
    „Wer sagt das?“
    „Die Statistik.“ Rafiq schüttelte den Kopf. „Was ist jetzt mit Carmen?“
    „Mein Gott“, Nikolaj holte tief Atem, „vielleicht hätte ich sie wirklich erschießen sollen.“ Es versetzte ihm selbst einen Stich, als er es aussprach. Verärgert zuckte er mit den Schultern. „Jetzt glaub es endlich. Ich wollte sie bei diesem Treffen nicht dabei haben, also habe ich sie weggeschickt.“ Seine Stimme hob sich leicht. „Sie ist in eins der Museen gegangen und hat sich unter das Publikum gemischt. So einfach ist das. Ich weiß nicht, wo sie jetzt steckt. Sie“, er stockte, „ist ein freier Mensch. Sie ist misstrauisch, kannst du das nicht verstehen? In Zypern haben israelische Einheiten versucht, sie zu töten. Was würdest du denn an ihrer Stelle tun?“
    Rafiq antwortete nicht. Er starrte Nikolaj einfach an.
    „Geh“, sagte Nikolaj müde. „Und lass mich meiner Wege ziehen.“

Epilog
     
Salzburg | Österreich
     
    Der Tag war warm für Ende September. Die Baumkronen schimmerten in Gelb- und Rottönen und filterten die späten Sonnenstrahlen. Touristen drängten sich in der Altstadt; der Duft von Kuchen und Nachmittagskaffee hing in der Luft.
    „Was kann ich Ihnen bringen?“, fragte der Kellner die junge Frau, die sich allein an einen freien Tisch gesetzt hatte. Sie trug Jeans und einen eleganten Kaschmirblazer. Rote Locken kringelten sich um ihr schmales Gesicht.
    „Milchkaffee“, sagte sie, „und Apfelstrudel.“
    Der Kellner erwiderte ihr Lächeln. Als er gegangen war, faltete sie die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung auseinander, die sie in einem Zeitschriftenladen erworben hatte. Sie fand einen kurzen Aufmacher auf der ersten und den kompletten Artikel auf der dritten Seite.
    Späte Aufklärung. Der Mord an Levi Rosenfeldt und seine Folgen
. Unwillkürlich begann sie zu lächeln. Carmen Arndt lehnte sich zurück und blinzelte in die Sonne. Vor einer Woche hatte sie sich neue Papiere machen lassen. Der Name in ihrem Pass lautete jetzt Katharina Hofmeister. Sie wusste noch nicht, wie sie weitermachen sollte. Darüber hatte sie bisher nicht nachgedacht. Aber das würde sich finden.
    Sie spürte, wie das Eis in ihrem Magen allmählich zu schmelzen begann. Ihr Lächeln wurde breiter.
Hawqa | Libanon
     
    Er fand Sarkis zwischen seinen Orangenbäumen auf der Rückseite des Hofes. Der alte Mann mähte Gras und bemerkte Nikolaj nicht, bis er direkt hinter ihm stand.
    „Assalam aaleikum.“
    Sarkis drehte sich langsam um. Ein Lächeln glättete seine verwitterten Züge, als er Nikolaj erkannte. „Aaleikum es salam. Nicolá, mein Freund. Das war eine lange Reise, ja?“
    Nikolaj verspürte ein überwältigendes Gefühl der Wärme. Die Emotion war so stark, dass seine Stimme brach.
    „Wie geht es dir?“, fragte er heiser.
    Sarkis lehnte die Sense gegen einen Baum. „Du kommst, um deine Sachen zu holen?“
    „Ja“, brachte Nikolaj hervor.
    „Hast du Zeit, um eine Tasse Tee mit mir zu trinken?“
    Nikolaj zerschnitt es fast das Herz, weil er Sarkis die Bitte abschlagen musste. Aber er wollte sich nicht länger aufhalten als nötig. Es war ohnehin Leichtsinn gewesen, noch einmal hierher zurückzukehren.
    Als er dann im Wagen saß, die Lederhüllen mit den Leinwänden auf dem Beifahrersitz, und die Kurve am Ortsausgang von Hawqa hinter sich ließ, warf er einen letzten Blick hinauf zum Hügel. Er konnte das Haus von hier unten nicht sehen, aber er wusste, dass es da war. Er dachte an das Mosaik, das er ein Jahr lang restauriert hatte und an das Atelier mit den hohen Fenstern. Ein Mittelsmann würde das Haus verkaufen, ein Makler aus Beirut.
    Nikolaj passierte
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