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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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auf den Rückweg zum Wagen machte, hatte er eine Entscheidung getroffen. Er hatte Binyamin Shalev nicht angerufen und auch sonst niemanden. Er musste mit Fedorow reden. Und – bei Gott – er hoffte, dass das, was sich in seinem Kopf formte, sich nicht als Fehler erwies.
    Die Wohnungsklingel schlug kurz an. Eine Tür öffnete sich und wurde wieder zugeschlagen. Schritte. Wortfetzen streiften sein Ohr. Nikolaj öffnete die Augen, als jemand den Raum betrat. Es dauerte Sekunden, bis es ihm gelang, scharf zu fokussieren. Zwei Männer, registrierte er. Einer von ihnen war der, der Stunden zuvor Rafiq zurückgehalten hatte. Der andere war älter. Er zog das rechte Bein nach. Es war der, erkannte er plötzlich, der ihm die Wagentür gegen die Knie gerammt und ihn dann mit einer Waffe bedroht hatte. Nikolaj versuchte sich ein Stück aufzurichten. Die Bewegung schickte sofort einen Katarakt krampfartiger Schmerzen durch seinen Körper. Keuchend sackte er zurück.
    Der ältere Mann wandte den Kopf zu seinem Begleiter. „Lass mich allein mit ihm reden.“ Er erstickte den Widerspruch des anderen mit einer Handbewegung. „Keine Sorge. Ich weiß, was ich tue.“
    Gedämpft fiel die Tür ins Schloss. Der Mann trat näher. Nikolaj begriff, dass er taxiert wurde. Der Israeli musterte ihn sekundenlang. Dann ging er in die Knie, so dass ihre Gesichter sich auf gleicher Höhe befanden. Sie blickten einander in die Augen.
    „Mein Name ist Lev Katzenbaum“, sagte der Mann endlich. „Ich arbeite für die israelische Regierung.“
    Der Name löste eine Frage, die ihn unterschwellig die ganze Zeit beschäftigt hatte. Jetzt wusste Nikolaj, warum das Gesicht des Mannes ihm so bekannt vorgekommen war. Er versuchte ein Nicken.
    „Tut mir leid“, murmelte er, „das mit Ihrem Bein. War nicht persönlich gemeint.“
    Katzenbaum verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen. „Sie sind ein Arschloch“, erwiderte er. „Und das meine ich persönlich.“
    „Das ist Ihr Recht.“ Das Sprechen bereitete ihm Schmerzen.
    Der Israeli setzte sich auf den Boden und lehnte sich neben Nikolaj an die Wand, dann drehte er den Kopf, um ihn ansehen zu können.
    „Wer sind Sie?“, fragte Nikolaj.
    „Oh“, Katzenbaum seufzte, „ich leite diese verdammte Operation. Und bevor Sie sich Ihren eigenen Reim darauf machen – nein, ich hatte niemals vor, Sie zu eliminieren. Ich wollte mit Ihnen reden, das ist alles.“
    „Reden?“ Fast reizte es Nikolaj zum Lachen. „Dafür haben Sie aber viel Aufwand getrieben, finden Sie nicht? Um zu reden? Warum haben Sie nicht einfach
angerufen
?“
    „Es ist kompliziert“, gab der Israeli zu. „Wir waren uns am Anfang nicht sicher. Wir mussten zuerst herausfinden, ob Sie wirklich der Mann sind, für den wir Sie hielten.“ Er machte eine Pause. Nikolaj beobachtete, wie er eine zerdrückte Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche kramte. „Ich habe vor fünf Jahren die Ermittlungen zum Rosenfeldt-Attentat geleitet.“ Er zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.
    „Was wollen Sie?“, fragte Nikolaj müde. „Späte Rache?“
    „Nein.“ Katzenbaum blies den Rauch gegen die Decke. „Aufklärung.“
    Nikolaj beobachtete ihn unter halb geschlossenen Lidern. „Warum?“
    „Weil ich nachts nicht schlafen kann, wenn ich an die Konsequenzen denke. An das, was wir damals losgetreten haben.“
    „Beichte und Absolution“, murmelte Nikolaj. Er wandte seinen Blick ab. „Möchten Sie Ihre Seele retten?“
    „Wenn Sie so wollen“, sagte Katzenbaum.
    „Und Sie glauben, ich kann Ihnen dabei helfen?“ Nikolaj brachte ein kurzes Lachen zustande. „Sehen Sie mich an, und dann fragen Sie sich das noch mal.“
    „Wer“, fragte der Israeli, „hat für Rosenfeldts Kopf bezahlt?“
    Nikolaj hob eine Augenbraue. „Warum sollte ich Ihnen das sagen?“
    Katzenbaum lehnte sich vor. „Weil ich Ihnen einen Handel anbieten möchte.“
    Nikolaj starrte ihm hinterher, nachdem er den Raum verlassen hatte. Er wusste nicht, wie er den Mann einordnen sollte. Katzenbaum verströmte eine starke Präsenz, eine vertrauenswürdige und sehr authentische Aura, aber zugleich haftete ihm etwas an, das latentes Misstrauen schürte. Als der Israeli zurückkehrte, trug er zwei Kaffeetassen in der einen und ein Messer in der anderen Hand. Er stieß die Tür hinter sich mit einer Schulter zu. Vorsichtig stellte er die Tassen auf dem Boden ab.
    „Ich schlage Ihnen jetzt ein Abkommen vor.“
    Nikolaj sah ihn nur an. Er
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