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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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Freunde quittierte die Bemerkung.
    „Na, ich weiß nicht“, mischte sich Carla ein. Azizah teilte sich in Mailand die Wohnung mit ihr. „Die Mönche sagen, er will seine Ruhe haben. Und du weißt ja, wie Künstler sein können.“ Sie kicherte.
    Azizah stand auf. „Ich hole noch Kaffee.“
    Chiara schob ihren Stuhl zurück. „Ich helfe dir“, sagte sie und griff nach der Kanne. Zusammen gingen sie ins Innere des Hauses, in die geräumige Küche. „Deine Eltern haben ein tolles Haus.“
    „Sie sind auch sehr stolz darauf’, erwiderte Azizah. Sie setzte Wasser auf. „Mein Großvater hat es gebaut. Sie haben es vor ein paar Jahren komplett renovieren lassen.“
    Chiara nahm eine Handvoll Äpfel aus einem großen Korb auf der Anrichte. Das Wasser begann zu kochen; Azizah hob den Kessel vom Gas und brühte Kaffee auf.
    „Willst du da wirklich allein hingehen?“, fragte Chiara.
    „Warum nicht?“ Azizah legte den Deckel auf die Kaffeekanne.
    „Ich meine, ich könnte mitkommen.“
    „Du bist nur neugierig.“ Azizah musste lächeln. „Weil du glaubst, dass er groß und gut aussehend ist.“
    Chiara wurde rot. „Du bist unmöglich“, murmelte sie, „das ist nicht wahr!“
    Vom angrenzenden Esszimmer führten offene Flügeltüren in den Innenhof. Alexandro hatte die Unterhaltung übernommen, erzählte eine von seinen Geschichten. Gelächter füllte den Hof. Es roch nach Blumen und Kardamom. Ein seltener Moment, dachte Azizah. Einer, an den sie sich später erinnern würde, wenn sie zurück in Mailand war.
    Mit einem Ruck hob sie die Kanne hoch und trug sie hinaus zu ihren Freunden.
    Die Zufahrt zum Haus des Künstlers war ein schmaler Feldweg, der kurz hinter Hawqa von der Straße abzweigte. Akazien und Ginsterbüsche säumten den Straßenrand. Ein Fremder konnte die Stelle leicht übersehen; überhängende Äste verdeckten den Weg, der offenbar nur selten benutzt wurde.
    Azizah stieg vom Fahrrad und schob es durchs Gebüsch. Im Korb hinter dem Sattel lehnte ihr Gastgeschenk. Eine Tasche mit Obst aus dem Garten ihrer Eltern.
    Der Weg war steinig und wand sich steil bergauf. Schon nach ein paar Minuten geriet sie außer Atem. Mit einem Fuß blieb sie im Brombeergestrüpp hängen. Fluchend ließ sie das Fahrrad fallen und befreite sich aus den stachligen Ranken. Sie bückte sich und rieb über die Kratzer auf ihrem Fußgelenk. Der Sand zwischen den Büschen fühlte sich warm an.
    Azizah war schon einmal hier gewesen, aber das lag fünfzehn Jahre zurück. Als Kinder hatten sie die Kalksteinhöhlen erkundet, die in den Berg geschlagen waren. Sie erinnerte sich auch an das Haus auf dem Plateau, ein großes, ziemlich heruntergekommenes Gebäude, das damals niemand hatte kaufen wollen.
    Aber das hatte sich ja wohl geändert. Erstaunlich war nur, dass der neue Besitzer die Zufahrt nicht besser instand hielt. Sie richtete sich auf und zog das Fahrrad hoch. Keuchend setzte sie ihren Weg fort. Nach einer letzten Steigung verlor sich der Pfad zwischen hohem Gras und verwilderten Obstbäumen. Irgendwo blökten Schafe. Azizah lehnte das Fahrrad gegen einen Baumstamm und sah sich um.
    Es war angenehm schattig hier oben. Der Duft von Heu und Schafgarbe hing in der Luft. Azizah nahm den Obstkorb vom Gepäckträger und folgte einer breiten Schneise zwischen den Bäumen. Nach etwa hundert Metern stieß sie auf einen Drahtzaun, der ziemlich neu aussah und einen verwilderten Garten umfriedete. Hohe Sträucher versperrten den Blick auf das Haus. Azizah lief ein Stück am Zaun entlang, bis zu einem Tor. Es gab kein Namensschild und keine Klingel.
    „Hallo?“, rief sie halblaut in Richtung des Gartens. „Hallo, ist jemand da?“
    Niemand antwortete. Die Schafe blökten noch immer, aber es klang jetzt leiser, weiter entfernt.
    Zaghaft drückte sie gegen einen der Torflügel. Sie war überrascht, als er ohne Widerstand nach innen schwang. Ein ausgetretener Grasweg führte zwischen den Bäumen hindurch auf die andere Seite des Hauses. Rechts zwischen den Sträuchern stand ein alter Pickup.
    Offenbar war doch jemand zu Hause. Das Tor stand offen, der Wagen war da. Sie bog um die Ecke und blieb überrascht stehen. Der Bereich vor dem Haus war gepflastert und an den Seiten von Oleanderbüschen gesäumt. Das Gebäude selbst war neu verputzt worden. Jemand hatte das Dach repariert und die Fensterläden blau gestrichen.
    Azizah stellte ihren Korb auf dem Boden ab und ging zur Tür. Kräftig klopfte sie gegen das geschnitzte Holzgitter.
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