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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Autoren: Christoph Maria Herbst
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    Berlin, Dienstag, 22. Dezember 2009, 16.48 Uhr
    Wolfgang Rademann will mich kennenlernen.
    Der erfolgreichste Fernsehproduzent Deutschlands möchte ein finales Gespräch, bevor er mich eintütet.
    Sitze im Berliner Hotel Kempinski, wo der Herr anscheinend Hof zu halten pflegt, und komme mir recht verloren vor in der rokokoesken Ecke an dem brennenden Kamin und in meinen abgewetzten Jeans auf der plüschigen Brokatchaiselongue.
    Vielleicht ist das ja … die Besetzungscouch!? Lasse meinen Blick über das Polster schweifen: Der Stoff ist weder fleckig noch durchgescheuert.
    Aber in der Schweiz bin ich auch nicht gerade. Neutrales Gebiet sieht anders aus. So griff mich gleich beim Betreten der Lobby etwas Livriertes mit Kajalaugen ab und näselte mich an:
     
    »Herr Rademann kommt jeden Moment. Wenn Sie dort drüben Platz nehmen wollen. Sie sind doch Markus Maria Herbst?«
    »Ja, aber dann sind Sie Siegfried und Roy!«, konnte ich mir so grad eben noch verkneifen und nickte einfach nur. Dies allerdings dann doch verkniffen.
    Unaufgefordert wurde mir gleich eine mehrstöckige Porzellanetagere mit einem bunten Strauß diverser Pralinen und Printen, mindestens elf Spritzgebäcksorten und hochglanzglasierter Marzipanwürfel zwischen Sofa und Kamin auf den marmornen Clubtisch gestellt, um mir im größten Wartezimmer der Welt die Zeit zu versüßen. Sauer stieß mir auf, warum ich überhaupt hier saß.
    Hatte meine Agentur doch nicht zugesagt?
    War das hier noch eine Art Casting?
    Hätte ich rasch noch ein Gedicht auswendig gelernt haben sollen oder zumindest eine kleine Steppnummer einstudieren müssen?
    Habe in Ermangelung irgendwelcher zeitvertreibender Frauenzeitschriften die oberste Ebene meiner persönlichen Zuckerpyramide schon weggeputzt. Wie kariöse Vorboten verlassen kleine säuerliche Wölkchen meinen Mund, die auch im Nachklang noch glasiert schmecken. Wenn ich so weitermache, wird mich Rademann in einer Stunde eh nicht mehr erkennen. Wenn er überhaupt weiß, wie Markus Maria Herbst aussieht. Er dürfte sich mit seinen knapp Hundert wohl kaum für
Stromberg
interessieren, eher fürchte ich einen Einlauf von ihm, da ich in den Neunzigern mal zwei Pornofilme synchronisiert habe. Vielleicht erwartet er von mir, dass ich mich, bevor das unbefleckte Traumschiff mich empfängt, öffentlich von meinem damaligen Gestöhne distanziere!? Vielleicht will er aber auch nur ein Autogramm auf genau diese beiden DVD s.
    Das Einzige, was ich mir vorgenommen habe, ist, ihm noch blöder zu kommen, wenn er mir blöd kommt.
    Bestimmt schiebt Mr.
Traumschiff
die präpotente Bugwelle des Erfolgsmenschen vor sich her und hat sich seinerseits vorgenommen, mir, dem Comedy-Leichtmatrosen, so lange auf die Füße zu treten, bis ich vor Dankbarkeit vor einem Fernsehwolf wie ihm, der mich wie eine Kartoffel mit bloßer Hand zerquetschen könnte, auf die Knie sinke.
    Nichts dergleichen werde ich zulassen.
    Im Gegenteil: Habe extra vor dem Spiegel einige überhebliche Gesichtsausdrücke geübt, die ihm vor Augen führen sollen, was ich wirklich über ein Unterhaltungsfossil wie ihn denke und wie wenig ich von seinem künstlerischen Ground Zero halte. Da kann er mit noch so vielen, fetten Zigarren im Mund auf dicke Hose machen, während er an seiner goldenen Uhr in seiner Weste spielt und imaginäre Fussel von seinem Nadelstreifen entfernt, kann er noch so sehr durch mich durchgucken, mich ignorieren oder von mir verlangen, dass ich seine handgenähten Luxusbudapester lecke. Nur weil er ein Quotengarantgigant ist und ich mit meiner kleinen Büroserie eher im Trüben des Marktanteils fische, braucht er noch lange nicht zu denken, er sei was Besseres. Wo sind denn alle
seine
Fernseh- und Grimmepreise? Nur weil die
Schwarzwaldklinik
selbst in ihrer Wiederholung noch mehr Zuschauer hat als
Wetten, dass …?!
oder eine komplette Staffel meiner eigenen Serie, muss er nicht denken, das sei ein Qualitätssiegel. Im Gegenteil. Im Laufe der Jahre habe ich es geschafft, mir erfolgreich einzureden, dass wenige Zuschauer Qualität bedeuten, und auch alle meine Therapeuten haben mir recht gegeben, dass es niemals gut sei, die breite Masse zu erreichen, es sei denn man wolle Unterschichtenfernsehen machen, Mob TV , Hartz- IV -Bespaßung.
    Nee, Nee, mein Lieber!! Ich fühl mich sauwohl mit meiner Handvoll zuschauender Studenten und Studienräte! Und vergiss nicht,
du
hast
mich
angerufen und du kannst froh sein, dass ich auf deinem komischen
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