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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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vollen Zorn des neu eingesetzten Premierministers zu spüren bekommen hatte. Ein unvermeidliches Opfer, hatte Shalev Seltzers Sturz genannt. Sowohl er als auch Katzenbaum waren von Anfang an in die Operation involviert gewesen.
    Natalie wechselte die Folie.
    „Am fünfundzwanzigsten Januar 2001 wurde der US-Senator Jonas Levi Rosenfeldt kurz vor der Eröffnungsfeier des Jüdischen Museums in Berlin erschossen“, eröffnete sie mit emotionsloser Stimme. „Der Killer entkam zunächst, obwohl es in der Gegend um das Museum von Sicherheitsbeamten wimmelte. Wir konnten das nie beweisen, aber Indizien ließen darauf schließen, dass das Attentat von der PLO vorbereitet und bezahlt wurde. Sie engagierten einen Auftragskiller, den die CIA in ihren Akten unter dem Namen Fabio führt. Unsere amerikanischen Freunde haben lange Zeit vergeblich versucht, ihm auf die Spur zu kommen.“
    Bis ein drittklassiger Romeo-Agent mit mehr Glück als Verstand seine Tarnidentität aufdeckte, dachte Katzenbaum. Das hatte nichts mit fundierter Geheimdienstarbeit zu tun gehabt, es war reiner Zufall gewesen – obwohl die Amerikaner das gern anders verkauften.
    Natalie nahm einen Schluck Kaffee, bevor sie weiter sprach. „Am sechsundzwanzigsten Januar, also einen Tag nach dem Attentat, sollte in der Berliner Galerie Neuhoff eine Ausstellung des belgischen Malers Nico Delani eröffnet werden. Delani hat sich zwischen 1997 und 2001 als erfolgreicher Nachwuchsstar in der europäischen Kunstszene etabliert. Die Vernissage fand zwar statt, aber ohne den Künstler.“ Sie machte eine winzige Pause. „Die Amerikaner glauben, dass dieser Maler und Fabio ein und dieselbe Person sind. Sie haben natürlich keine Beweise, nur Indizien und ein paar halbgare Zeugenaussagen. Der Romeo-Agent, der Fabio angeblich enttarnte, wurde erschossen. Tatsache ist aber, dass seit dem Verschwinden von Fabio auch Delani verschollen ist.“ Sie studierte für einen Moment ihre Unterlagen. „Wir haben in dieser Angelegenheit eng mit CIA und Interpol zusammengearbeitet“, fuhr sie fort. „In den Wochen nach dem Attentat gelang es uns noch genau drei Mal, seine Spur zu finden.“ Sie hob einen Bleistift und stach damit in die Luft.
    „München, achtundzwanzigster Januar. Eine Schießerei am Ostbahnhof, zwei Tote. Wir haben Hinweise, dass unser Mann darin verwickelt war. Dann, vier Tage später in Reims, einhundertfünfzig Kilometer entfernt von Paris. Wir hätten ihn beinahe gestellt, aber er entdeckte das Überwachungsteam und flüchtete, bevor unsere Leute zuschlagen konnten. Die letzte Meldung stammt aus Auritz, einem Dorf zehn Kilometer hinter der französisch-spanischen Grenze. Danach verlor sich seine Spur.“ Natalie legte den Bleistift zurück auf den Tisch.
    Er hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst, dachte Katzenbaum. Damals war er wütend gewesen über den Fehlschlag der Operation. Es war ein erschreckend symptomatisches Indiz für den schleichenden Verfall, der den Dienst heimsuchte.
    Mein Gott, sie waren mal die Besten gewesen.
    Doch etwas war dran an den Gerüchten, dass die goldene Ära des Mossad endgültig vorüber war. In den letzten Jahren waren ihnen eine Reihe peinlicher Fehler unterlaufen, die dem Ansehen der Israelis auch bei befreundeten Geheimdiensten schwer geschadet hatten. Die Fabio-Affäre passte da gut ins Bild. Gelegentlich war Katzenbaum der Gedanke gekommen, dass es besser gewesen wäre, wenn Fabios Verschwinden einen Schlusspunkt unter die ganze Angelegenheit gesetzt hätte. Besser für den Dienst, besser für die Sache Israel. Doch die Gemüter waren erhitzt. Rache für Rosenfeldt, lautete der Befehl der Stunde. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Der Killer war verschwunden, sie würden ihn nicht mehr nach seinen Auftraggebern fragen können. Aber die Indizien waren auch so aussagekräftig. Stark genug, um grünes Licht für die Operation ‚Wüstenwind’ zu bekommen. Efraim Seltzer, der Analytiker, der stets einen kühlen Kopf bewahrte – ausgerechnet Seltzer – hatte die Operation genehmigt. Rosenfeldt war sein Freund gewesen, und Seltzer war seinem Herzen gefolgt, nicht dem Verstand. Danach, als der kollektive Blutdurst vergangen war, hatten sich sowohl Shalev als auch Katzenbaum gefragt, ob sie nicht etwas übersehen hatten. Ob die Rache wirklich die Schuldigen getroffen hatte. Eine schlampig ausgeführte Rache noch dazu, die Israel am Ende als Mörder von Frauen und Kindern dastehen ließ.
    „Danke, Natalie“, sagte Binyamin
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