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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
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ein einziges Mal gelacht hatte, lächelte Folke an, bis dieser die schwarzen Zahnstummel sehen konnte. Folke wich entsetzt zurück, als ihn der üble Hauch des Aasfressers anwehte. »Ja, das ging mir gut von der Hand, ich war selber froh darüber. Meine Sippe sollte zu wissen bekommen, daß ich ihr nicht abtrünnig geworden bin, obwohl ..., obwohl.« Die Verzweiflung überkam ihn wieder, und er konnte nicht weitersprechen; aber es war wohl so, daß er hatte verhindern wollen, daß die Norweger seiner Sippe zuvorkamen.
    Das war der alte Sven, dachte Folke, der im einen Moment schwarz, im anderen weiß sagte, Sonne und Schnee, Leben und Tod, alles auf einmal. Vielleicht war er so geworden, seitdem er zum Neiding geworden war. Oder war er vielleicht schon als Neiding geboren, und nur die zufällige Anwesenheit seines Bruders zur vorbestimmten Zeit hatte seine Hand geführt und ihn entlarvt? Folke schüttelte den Kopf. Ein Neiding würde solche Fragen nicht beantworten können. Ein Neiding war kein Mensch.
    Unter Hjaltis Füßen knirschte der Sand, er war nach unten gesprungen. Folke folgte ihm vorsichtig. Sven stand oben, fassungslos und unglücklich, und blickte auf die Schiffsleute hinunter, die ihn abgelehnt hatten. Hjalti aber, der großgewachsene Mann, der auf See zuweilen Schwächen zeigte, wuchs über sich selbst hinaus. »... und sie liefen wie Wölfe nach dem Walde«, flüsterte er den Teil einer Liedstrophe, die auch Folke kannte.
    Sven nickte. Dann drehte er sich Schritt für Schritt um und fing an zu laufen. Und immer schneller wurde er, er lief und sprang über Rinnsale, und lief und sprang wieder, und rannte und rannte auf den Wald zu, in dem er verschwand, und dabei wurde er einem Wolf immer ähnlicher.

 
12
Zweikampf
     
    Als Sven fort war, stieß Folke einen tiefen Seufzer aus.
    »Ja«, sagte Hjalti, »wir sind ihn los. Aber die Bauern nicht. Sie werden Steinhügel über ihn häufen oder weit draußen auf See ertränken müssen. So einer kommt immer wieder.« Er wischte den Sand von seinem roten lederbeschlagenen Schild ab. Sven schien seinen weißen eingebüßt zu haben. Er hatte überhaupt manches in den wenigen Tagen eingebüßt. Und wenn er auch eine gute Begründung für das Versenken des »Grauen Wolfs« angeben konnte - es war sein Schicksal gewesen, daß er ihn anbohren mußte, selbst wenn er anders gewollt hätte. Ein Neiding hat keinen Willen; nichts umgibt ihn als der frostklirrende, dämonendurchschwirrte Raum. Hjalti wurde in seinem Gedankengang von Folke aufgeschreckt, den stets das Nahe vor dem Fernen interessierte.
    »Wer weiß, wie viele Männer er schon erschlagen hat und noch erschlagen wird?«
    »Die gehen uns nichts an«, erwiderte Hjalti.
    »Geht dich Geirmunds Sklave nichts an?«
    Hjalti ließ seinen Schild fahren und sah Folke an. »Du meinst, er ist es gewesen?« Als Folke nickte, blickte er zum Waldrand hoch, in dem Sven verschwunden war. »Hättest du mir das vorhin gesagt, läge er jetzt tot vor uns im Sand.«
    »Hier«, sagte Folke und malte mit dem Zeigefinger den Umriß von Svens Schuhen im Sand nach, »hier hast du den Beweis. Er trug die Schuhe des Sklaven Wertizlaw.
    Sie waren wohl besser als seine eigenen.«
    »Sicherlich. Wir gaben uns nicht zufrieden, bevor wir den Besten aus diesem Dorf eingefangen hatten. Und es ist schlimm, daß ein solcher Mann unter der Keule einer Neiding-Bestie enden mußte.«
    Folke lächelte. Högni und Hjalti würden sich heute besser verständigen können als noch vor wenigen Tagen. Er selber wußte nun, daß Högni sich aus dem Staub gemacht hatte im gleichen Augenblick, als er merkte, daß der Sklave erschlagen worden war, und zwar lange bevor die Schiffsleute ihn gefunden hatten. Die Anzahlung war für den ersten lebenden Sklaven gewesen.
    Högni übertraf sie alle an Schlauheit. Er hatte Aud wie einen Spielstein über das Brett geschoben und ihr trotzdem noch Dankbarkeit abgenötigt. Er war sich auch nicht zu gut gewesen, Sven einen Bohrer abzukaufen, von dem er sich denken konnte, daß er Diebesgut war. Folke mochte Högni weniger denn je.
    »Woran denkst du?« fragte Hjalti, der Folke beobachtet hatte. »Es scheinen angenehme Gedanken zu sein.«
    »Eigentlich nicht«, erwiderte Folke.
    »Nun gut.« Hjalti schulterte seinen Schild ungeachtet der Bauern, die immer noch am Dorfeingang standen, und trabte auf die Dorfstraße zu.
    Folke folgte ihm schnell und schloß auf. »Ich glaube gar nicht, daß Sven den Sklaven getötet hat, weil
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